Premier David Cameron übernimmt die Verantwortung und tritt im Oktober zurück.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Das hatte den Briten gerade noch gefehlt, an diesem Schicksalstag der Insel. Am selben Morgen, an dem Ukip-Führer Nigel Farage ein „Unabhängiges Vereinigtes Königreich“ proklamierte, Premierminister David Cameron zurücktrat und Zentralbank-Gouverneur Mark Carney das internationale Kapital zum Verbleib beschwor, flog Donald Trump in Großbritannien ein. Er finde es, sagte der Besucher vergnügt, „eine tolle Sache“, dass die Bevölkerung der Britischen Inseln sich „ihr Land zurückgeholt“ habe.

 

Das war gerade eine Stunde, nachdem der britische Regierungschef vor der Tür von No.10 Downing Street der Nation erklärt hatte, dass er nicht länger „als Kapitän“ auf der Brücke des Schiffes stehen könne, das nun Kurs auf seine „nächste Bestimmung“, in unbekannten Gewässern, nahm. Ob er dieses Schiff für die Titanic der britischen Politik hält oder für ein seetüchtiges Gefährt: Darüber wollte der Premier lieber nichts mehr sagen. Schließlich hatte er die Briten wochenlang mit Warnungen vor den Folgen eines Brexit traktiert. Seine Landsleute ignorierten ihn einfach bei ihrer Referendumsentscheidung. Mit 52 zu 48 Prozent sagten sie sich von der EU los – und lösten in ihrer Heimat Chaos und auf dem Kontinent Bestürzung aus.

Für viele Briten war das Referendum eine Art Protestwahl

Etliche Briten, darunter viele Jugendliche, die am Vortag für den Brexit gestimmt hatten, räumten erstaunt ein, dass sie dieses Ergebnis ihrer Stimmabgabe nie erwartet hätten. Für viele war das Ganze eine Art Protestwahl, mit der Erwartung eines Siegs der anderen Seite, gewesen. Andere jubelten darüber, dass ihr Land nun endlich „frei“ sei vom Joch der EU und sie „wieder die Kontrolle über unsere eigenen Geschicke übernehmen“ könnten.

Recht bleich waren auch viele der Banker und Finanzleute, die noch am Abend zuvor fest an einen Verbleib in der EU geglaubt und entsprechend spekuliert hatten. Wegen ihrer entsetzten Reaktionen sackte das Pfund gegenüber dem Dollar auf den tiefsten Stand seit 1985 ab, Milliarden gingen verloren. Die mächtige Barclays Bank hatte gegen Mittag fast ein Drittel ihres gesamten Wertes verloren. Politiker aller Parteien, die sich monatelang leidenschaftlich für ein Ja zur EU eingesetzt und mit einem solchen Ja am Ende auch gerechnet hatten, waren den Tränen nah oder schüttelten nur verzweifelt die Köpfe.

Ukip-Chef Farage hat sein politisches Lebensziel erreicht

Keine Trauergefühle verspürte Nigel Farage, der Chef der Unabhängigkeitspartei Ukip. Mit dem Brexit hat er sein politisches Lebensziel erreicht. Ein Vierteljahrhundert lang hatte er für einen EU-Austritt plädiert, um England vorm „Superstaat Europa“ zu retten. Stolz erklärte er: „Jetzt bricht die Morgenröte für ein Unabhängiges Vereinigtes Königreich an.“

Cameron indes eilte erst zum Buckingham-Palast, um sich bei der Queen fürs Ende der EU-Zugehörigkeit ihres Königreichs zu entschuldigen und zugleich seinen Rücktritt zu erklären. Camerons wahrscheinlichster Nachfolger, Boris Johnson, versicherte indes der Nation, dass er gekommen sei, um Einheit zu stiften. Natürlich werde Großbritannien „Teil Europas“ bleiben, nur eben nicht „Teil einer Bundesregierung in Brüssel“. Ausgebuht von EU-Befürwortern, musste Johnson von der Polizei zu seinem Wagen eskortiert werden.

US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump sagt: „Überall staut sich der Zorn“

Unbekümmert von all dem trieb sich Donald Trump derweil an der schottischen Ostküste herum. Ihn überrasche die Anti-EU-Rebellion der Briten kein bisschen, so Trump. „Es wird nicht die letzte sein“, sagte er. „Überall staut sich der Zorn.“