Trennung, Auszeit, Soloalbum: Brian Fallon ist zum ersten Mal ohne seine Band The Gaslight Anthem auf Tour. Am Mittwochabend im LKA begeistert er mit Musik und Humor - und zeigt, wie man nach einer Scheidung neuen Mut fassen kann. 

Stuttgart - Wenn ein gebrochenes Herz irgendetwas Gutes hat, dann sind es die kreativen Ergüsse, die daraus häufig folgen. Bei Brian Fallon, dem Frontmann der Rockband The Gaslight Anthem aus New Jersey, war das nicht anders. Vor drei Jahren hat er sich nach mehr als zehn Jahren von seiner Frau Hollie scheiden lassen. Auf zwei Alben hat er diese Erfahrung verarbeitet – und bei seinem Auftritt am Mittwochabend im Stuttgarter LKA Longhorn glaubhaft vermittelt, dass das nun hinter ihm liegt.

 

Es war das Gaslight-Anthem-Album „Get Hurt“, das den unmittelbaren, noch wenig reflektierten Umgang von Fallon mit der Trennung widerspiegelte. Musikalisch viel dunkler, als man es von der Band gewohnt war, wurde inhaltlich die Verzweiflung sichtbar, die mit einem solchen Verlust häufig einhergeht. Nach der zugehörigen Tour war auch die Band, zumindest fürs Erste, Geschichte.

Monatelang, so heißt es, schrieb Fallon keine Zeile. Als er es dann doch wieder tat, war das Resultat „Painkillers“ - sein erstes Soloalbum. Auch hier gibt es kaum Anlass zu inhaltlichen Spekulationen, die Botschaft ist offensichtlich. Es ist ein Album, mit dem man nachvollziehen kann, welchen Weg Fallon in der Zwischenzeit gegangen ist. Im Gegensatz zum rohen „I came to get hurt / Might as well do your worst to me“ vom letzten Gaslight-Anthem-Album ist es vielmehr eine Analyse dessen, was falsch gelaufen ist, die Verzweiflung von „Get Hurt“ ist in abgeklärte Trauerarbeit übergegangen.

In „Rosemary“ etwa singt Fallon: „And there’s a hole in you now / Like the windshield was taken out / And everybody’s hurt, and mine ain’t the worst / But it’s mine and I’m feeling it now“. Der Verarbeitungsprozess gipfelt in „Open All Night“, wo Fallon singt: „And you can’t make me whole, I have to find that on my own / But I held you babe, a long, long time ago“.

Und ewig grüßt Springsteen

Nun steht die Welt auch bei einem einschneidenden Verlust nicht still, und sie tat es auch für Brian Fallon nicht. Er ist frisch wieder verheiratet und zum zweiten Mal Vater geworden. Der Sänger ist gut drauf an diesem Abend in Stuttgart, was auch daran ersichtlich ist, dass er viel redet und viel lacht. Er erzählt von den Bruce-Lee-Zitaten, die sein Partner vom Nebenprojekt „The Horrible Crowes“, Ian Perkins, in geeigneten Momenten einstreut – zum Beispiel, wenn Fallon im Supermarkt nach Sojamilch sucht und sie nicht findet. Er erzählt auch von Donald Trump, gegen den er und Jared Hart von der Band The Scandals, der mit auf der Bühne steht, kämpfen würden („Well, maybe not. But we’ll talk about fighting him!“). Und er redet mit einem Zuschauer über dessen T-Shirt, das vom letzten Konzert in Stuttgart stammt.

In der Anfangszeit von The Gaslight Anthem wurde die Band immer wieder mit Bruce Springsteen verglichen. Daran ist der Boss-Fan Brian Fallon nicht ganz unschuldig, schließlich hat er, vor allem auf dem zweiten Album „The 59 Sound“, nie mit Referenzen gespart. Fallon selbst konnte diesen Vergleich wohl irgendwann nicht mehr hören. Der Einfluss des Rocksängers ist aber noch immer, und vielleicht gerade jetzt, unübersehbar. In den letzten Alben von The Gaslight Anthem hat Fallon diese tiefe, röhrende Gesangsstimme entwickelt, der auch in Stuttgart in „Mojo Hand“ zur Geltung kommt. Und spätestens seit „Painkillers“ versprüht Fallon diesen All-American-Flair. Wenn er gefragt werde, wonach sein neues Album klinge, hatte Fallon vor der Veröffentlichung auf Instagram gepostet, schicke er einfach ein Foto – das von einer amerikanischen Flagge.

Der Abend endet mit einer hoffnungsvollen Note

Trotzdem setzt er nicht auf Attitüden. Fallon steht nicht breitbeinig da und glaubt auch nicht, dass seine Musik der Nabel der Welt sei. „Was it good?“ fragt er einen Fan, der schon beim letzten Gaslight-Anthem-Auftritt in Stuttgart dabei war. Ohne auf die Antwort zu warten, sagt er: „Of course it was great!“ Und beeilt sich, hinzuzufügen: „Just kidding. I don't really think that.“

Das LKA ist an diesem Abend nicht eben proppevoll, aber die Fans sind von Fallon begeistert. Er bringt sie zum Lachen, zum Mitsingen und zum Jubeln. Nach einer Reise durch Songs von „Painkillers“ und dem The Horrible Crowes-Album „Elsie“ endet der Abend mit „A Wonderful Life“. Es ist der Opener von „Painkillers“, in ihm sehnt sich Fallon danach, nicht nur zu überleben, sondern eben „a wonderful life“ zu haben. Sieht ganz so aus, als wäre er auf einem guten Weg. 


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