Zu Ehren des Heilbronner Arztes und Physikers Robert Mayer erscheint eine Jubiläums-Briefmarke. Die ist sehr grafisch gehalten, was nicht nur bei den Philatelisten in Heilbronn für Ärger sorgt.

Heilbronn - Man hatte es sich so schön ausgedacht: Höhe- und Schlusspunkt des Heilbronner Robert-Mayer-Jahres sollte ein Festakt werden, an dem die am 3. November erscheinende Sonderbriefmarke der Deutschen Post zum 200. Geburtstag des Heilbronner Arztes und Physikers vorgestellt werden sollte. Der Geburtstagsgala ist dieser Überraschungseffekt abhandengekommen, die Deutsche Post hat sowohl die Briefmarke als auch die Sonderpoststempel bereits veröffentlicht, und das Fest findet mit anderen Schwerpunkten statt.

 

Über Robert Mayer (1814 bis 1878) sagte John Tyndall, Physiker an der Royal Institution in London im Jahr 1891: „Kein größeres Genie als Robert Mayer ist je in unserem Jahrhundert erschienen.“ Dieses Genie bekannt zu machen war eine Intention des Robert-Mayer-Jahres, eine Briefmarke dazu ein durchaus geeignetes Mittel. Wie viel Schweiß der Edlen dafür fließen muss, das weiß der damit befasste Heilbronner Archivdirektor Christhard Schrenk. Schon die Schilderung der Abläufe von der Antragstellung vor zwei Jahren bis heute dauert ihre Zeit. Dass man den Heilbronner Mayer außerhalb seiner Geburts- und Sterbestadt Heilbronn kaum kennt und wertschätzt, liegt wohl daran, dass seine physikalische Entdeckung, das „Gesetz von der Erhaltung der Energie“, nur Wissenschaftler verstehen.

Zwei Jahre Vorlauf

Mayers Bedeutung sollte auch die Briefmarke vermitteln. Das ist viel verlangt, das Ergebnis hat viele enttäuscht. Gerd Classen, Vorsitzender des Philatelistenvereins in Heilbronn, er ist mit über 400 Mitgliedern einer der größten in Deutschland, bringt es auf den Punkt: „Das Motiv ist missraten.“

Die Darstellung des Wärmeäquivalents als Strichcode kann man mit einem Barcode verwechseln, wie er auf allen Waren gedruckt ist. Man bräuchte einen Beipackzettel, um aus dem Motiv schlau zu werden. Das räumt auch Christhard Schrenk ein, wenngleich er die grafisch-künstlerisch anspruchsvolle Gestaltung gelten lässt. In dem langen, zweijährigen Prozess bis zur Freistellung der Marke konnte er nur bedingt korrigierend eingreifen, das Regelwerk des damit befassten Finanzministeriums ist äußerst strikt. Schon bei der Auswahl aus Hunderten von Anträgen wurde festgelegt, dass die Mayer-Marke grafisch gestaltet werden sollte. Den Auftrag dafür erhielt Sascha Lobe aus Stuttgart. Er lehrt als ordentlicher Professor Typografie an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach.

Schrenk bezeichnet es als großen Erfolg, dass es die Marke überhaupt gibt. Jährlich werden nur zwei bis drei Wissenschaftler so geehrt. Er hat in den letzten zwei Jahrzehnten schon mehrere vergebliche Anläufe dafür genommen.

Prominenter Zuspruch

Was mitgeholfen haben könnte, ahnen die Heilbronner: Es gibt ja die Schiene von Thomas Strobl, dem Heilbronner CDU-Bundestagsabgeordneten zu seinem Schwiegervater, dem CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble. Es ist aber anzunehmen, dass noch stärker gezogen hat, was Schrenk sonst noch aufbieten konnte; etwa Rolf-Dieter Heuer, gebürtig aus Bad Boll. Der deutsche Physiker ist seit 2009 Generaldirektor der Europäischen Organisation für Kernforschung und hat in einem langen Brief an das Finanzministerium begründet, warum Mayer die Ehre verdient. Schrenk will die hochkomplexe „Geschichte der Entstehung einer Briefmarke“ auch für die Öffentlichkeit dokumentieren. Dank seiner Intervention ist der Markenwert auf 90 Cent gesenkt worden. So kommt Mayer bestimmt öfter unter die Leute.

Der Philatelistenverband hat, auch unterstützt vom Stadtarchiv, eine eigene Robert-Mayer-Marke im Wert von 60 Cent auf den Weg gebracht. In einer Auflage von 500 Stück war sie am Sonntag bei der Philatelistenbörse in Heilbronn mit Sonderstempel zu haben – wenn überhaupt. Vorstand Classen rechnete im Vorfeld damit, dass sie sofort ausverkauft sein würde.

Der „Gegenentwurf“ zeigt ein Porträt des Physikers, ihre konventionelle Gestaltung entspricht sicher mehr dem allgemeinen Bild von einer Briefmarke. Der Lobe-Entwurf ist in gewisser Weise auch eine Provokation – und könnte damit dem Schicksal Mayers folgen. Auch er provozierte seine Umwelt mit seiner Erkenntnis und blieb lange unverstanden.