Im Haus Birkach gibt es eine Briefseelsorge. Menschen können den Seelsorgern von ihren Nöten schreiben und stehen oft über lange Zeit mit ihnen im Kontakt. Das Angebot ist mittlerweile einmalig in Deutschland.

Birkach - D er eigentliche Brief steckt immer in einem Briefumschlag. Der ist adressiert an das Haus Birkach und könnte alles Mögliche enthalten, etwa eine Rechnung. Doch der Brief, den er enthält, hat es oft in sich. Es sind Schreiben von Menschen, die sich Beistand wünschen, weil sie in einer tiefen Lebenskrise sind. Auf dem Umschlag des äußeren Briefs sind wie üblich Absender und Empfänger angegeben. Der Umschlag des inneren Briefs enthält dagegen als Empfänger nur den erfundenen Namen einer Person. Die Briefseelsorger, die hinter dem Fantasienamen stehen, sollen so anonym bleiben.

 

Die Absender wissen, dass derjenige, an den sie schreiben, eigentlich anders heißt. Oft kümmern sich Briefseelsorger jahrelang um ihre Klienten. So werden die Menschen genannt, die den Seelsorgern von ihren Nöten berichten. Im Moment arbeiten im Haus Birkach 13 Ehrenamtliche. Sie bringen alle eine Seelsorgerausbildung mit, einige sind zum Beispiel Pfarrer. Jeder von ihnen betreut bis zu fünf Klienten. Zwei Briefseelsorger haben sich auf Häftlinge aus Justizvollzugsanstalten spezialisiert.

In den 50er-Jahren entstanden

Mittlerweile bietet nur noch das Amt für missionarische Dienste im Haus Birkach eine Briefseelsorge an. In den 50er-Jahren, in Zeiten, in denen noch wenige Menschen in Deutschland einen Festnetzanschluss hatten, boten die Kirchen Briefseelsorge an vielen Orten in Deutschland an. Doch mit der Zeit wurde das Telefon vom Luxus- zum Allgemeingut, und die Kirchen reagierten auf den Wandel und änderten ihr Angebot. Der Begriff „Telefonseelsorge“ bürgerte sich ein. Dass es bei der Briefseelsorge im Haus Birkach blieb, erscheint da zunächst wie ein Anachronismus.

Die Briefseelsorger scheinen es zu bedauern, dass die lange übliche Form der Seelsorge per Brief aus der Mode gekommen ist, zumindest sind sie vom Sinn der Briefseelsorge nach wie vor überzeugt. Peter Berger ist einer von ihnen. Er heißt in Wirklichkeit anders, muss aber seine Anonymität wahren, wenn er über seinen Umgang mit den privaten Offenbarungen seiner Klienten spricht. Er erinnert daran, dass das Schreiben eines Briefes bereits selbst ein Stück Heilung sein kann, wenn Ängste oder Sorgen plagen. „Wer schreibt, fasst seine Gefühle in Worte. Damit distanziert sich der Schreiber von seinen Gedanken, nimmt sich eine Spur zurück“, sagt er.

Die ganze Briefseelsorge funktioniere als eine Art Verstärker für das Nachdenken über sich selbst. Am Telefon würden sich die Menschen dagegen oft ohne Punkt und Komma ihre Probleme von der Seele reden, sagt Berger. Das kann bereits kurzfristig Erleichterung bringen. Die Briefseelsorge als längere Begleitung könne dagegen auch längerfristig helfen, sagt Peter Berger. „Wir geben zwar keine Ratschläge, das dürfen wir gar nicht. Wir können aber im Dialog verstärkend wirken, wenn der Klient eine Lösung für sein Problem entwickelt“, sagt Peter Berger. Ein Beispiel sei, dass eine ältere Dame auf keinen Fall ins Altersheim wolle, obwohl sie in der eigenen Wohnung bereits mehrmals gestürzt ist. „Dann können wir eine Art Spiegel sein für das Nachdenken der Frau über ihre eigene Sicherheit“, sagt Berger.

Der Glaube an Gott kommt ins Spiel

Da es sich bei der Briefseelsorge um eine kirchliche Einrichtung handelt, sei im Grunde immer auch ein Dritter im Bunde beim Austausch über die Probleme der Klienten: Gott. Dabei seien diese so religiös oder nicht religiös wie der Durchschnitt der Bevölkerung, sagt Peter Berger. Auch Nichtgläubige würden sich an die Briefseelsorge wenden, berichtet er. „Bei vielen gibt es im Hintergrund doch die Erwartung, dass wir noch etwas anderes mit ins Spiel bringen“, sagt der Briefseelsorger.

Gerade bei sehr alten Klienten spiele oft das Thema Schuld eine große Rolle. „Noch haben wir es mit der Kriegsgeneration zu tun, das wird sich in einigen Jahren ändern“, sagt Peter Berger. Nicht wenige ehemalige Wehrmachtsoldaten wollten sich am Ende ihres Lebens von der Seele schreiben, was sie in den Jahren des Zweiten Weltkriegs erlebt haben.

Dabei bekommen die Briefseelsorger oft auch Grausames zu lesen, etwa von Vergewaltigungen an Zivilistinnen. Die Briefseelsorger müssten dann professionell mit solchen Bekenntnissen umgehen, sagt Berger. „Wir dürfen nicht werten“, sagt er. Außerdem komme gerade bei solchen Fällen der Glaube an eine Vergebung durch Gott ins Spiel.