Der Skandal um Kindesmissbrauch im britischen Fußballverband zieht immer weitere Kreise: Der Kinderschutzbeauftragte im nationalen Polizeistab (NPCC), Simon Bailey, spricht von einer „bedeutenden und wachsenden Zahl von Opfern auf allen Ebenen des Fußballs“.

London - Der Skandal um Kindesmissbrauch im britischen Fußballverband zieht immer weitere Kreise: Nach Polizeiangaben vom Donnerstag meldeten sich bereits rund 350 mutmaßliche Opfer. Der Kinderschutzbeauftragte im nationalen Polizeistab (NPCC), Simon Bailey, sprach in einer Erklärung von einer „bedeutenden und wachsenden Zahl von Opfern auf allen Ebenen des Fußballs“.

 

Der Skandal war kürzlich im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen den vorbestraften früheren Jugendtrainer Barry Bennell ins Rollen gekommen. Die Ermittlungen würden in enger Abstimmung mit dem Fußballverband geführt, um sicherzustellen, dass die „Antwort“ auf die große Zahl der mutmaßlichen Missbrauchsopfer „auf effektive Weise koordiniert“ werde, erklärte Bailey.

Mindestens 20 Fußballer haben inzwischen Vorwürfe erhoben

Insgesamt sind 15 Ermittlergruppen in ganz Großbritannien mit den Fällen betraut. Bei einer Betroffenen-Hotline des nationalen Kinderschutzverbandes gingen bis Donnerstag nach Angaben der Organisation bereits mehr als 860 Anrufe ein. Der Verband hatte die Hotline vergangene Woche zusammen mit dem Fußballverband eingerichtet. Allein in den ersten zwei Stunden seien rund 50 Anrufe angenommen worden. Das ist den Angaben zufolge die dreifache Zahl an Anrufen, die in den ersten drei Tagen nach Einrichtung einer Hotline im Missbrauchsskandal um den BBC-Starmoderator Jimmy Savile eingingen.

Savile war nach seinem Tod 2011 Kindesmissbrauch in zahlreichen Fällen nachgewiesen worden. Der Moderator soll über rund 40 Jahre hinweg hunderte Kinder und Erwachsene missbraucht haben. Im Zuge der Ermittlungen wurden mehrere Prominente festgenommen. Gegen den Jugendtrainer Bennell wurde inzwischen ein offizielles Strafverfahren eingeleitet. Laut Staatsanwaltschaft geht es um mindestens acht sexuelle Übergriffe auf einen minderjährigen Jungen. Der 62-jährige Bennell soll demnach am 14. Dezember vor Gericht erscheinen.

Der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge geht es um mutmaßliche Übergriffe Anfang der 1980er Jahre. Bennell hatte als Jugendtrainer unter anderem bei Manchester City und Stoke City gearbeitet. Mindestens 20 Fußballer haben inzwischen Vorwürfe wegen Missbrauchs gegen ihn erhoben. Gegen ihn laufen fünf verschiedene polizeiliche Ermittlungen. Wegen Vergewaltigung und sexuelle Übergriffe auf minderjährige Jungen war er bereits drei Mal zu Haftstrafen verurteilt worden.

Chef des englischen Fußballverbands fordert Aufklärung

Vor einigen Tagen warf der ehemalige Fußballprofi Andy Woodward seinem früheren Jugendtrainer Bennell öffentlich vor, ihn missbraucht zu haben. Am Dienstag ging der frühere Kapitän der walisischen Jugendmannschaft, Matthew Monaghan, an die Öffentlichkeit. Der „Daily Mail“ sagte er, er sei im Alter von zehn Jahren mehrfach von Bennell vergewaltigt worden.

Noch bevor die neuerlichen Ermittlungen gegen den früheren Jugendtrainer Bennell bekannt wurden, sagte der seit August amtierende Chef des englischen Fußballverbands, Greg Clarke, dies sei die „größte Krise“, die der englische Fußball je erlebt habe. Sie müsse nun umfassend aufgearbeitet werden. Der Fußballverband leitete eine eigene interne Ermittlung ein.

Bennell war am vergangenen Freitag wegen „Gefährdung seines körperlichen Wohlergehens“ in ein Krankenhaus eingewiesen worden. Er war zuvor bewusstlos in einem Hotel bei London aufgefunden worden.