Bruce Willis wollen wir wieder und wieder sehen. Aber bitte nicht mehr in „Stirb langsam“. Seine Rolle als John McClane ist nämlich ziemlich uncool geworden. Es Zeit, diesen Charakter Geschichte werden zu lassen, findet StZ-Redakteurin Nadia Köhler

Nachrichtenzentrale: Nadia Köhler (nl)

Los Angeles - Ende der neunziger Jahre lagen drei Freundinnen an einem der weißen Bilderbuchstrände der thailändischen Insel Koh Pi Pi und träumten davon, wer nun doch bitte aus den Fluten auftauchen, an Land schwimmen und sich zu ihnen aufs Handtuch legen möge. „Leonardo DiCaprio“, murmelte die erste, „Johnny Depp“, sagte die zweite, und die dritte erklärte in ihrer unnachahmlich empfindsamen und zugleich resoluten, keinerlei Widerspruch duldenden Art: „Bruce Willis“.

 

Bruce Willis? Ein Actionheld? Der selten Frauen, dafür aber stets irgendeine vollautomatische Riesen-Bums-Waffe in den Armen hält? Willis, der nie darum kämpft, das Herz einer Frau zu erobern, sondern immer „nur“ die Welt rettet, in dem er Hubschrauber, Autos oder Fensterscheiben explodieren lässt? Allein der Filmtitel „Stirb langsam“! Das würde sich frau doch niemals freiwillig angucken! Wie kann man so einen Hau-Drauf-Typen in einem Atemzug mit den allseits anerkannten Frauenlieblingen nennen? Da könnte man sich ja gleich Arnold Schwarzenegger aufs Handtuch wünschen?

„Yippie Ya Yay, Schweinebacke!“ – was für ein Kampfspruch

Doch an Weihnachten desselben Jahres wurde klar, warum die Schwärmerei für Willis tatsächlich widerspruchslos hingenommen werden musste und warum sich die gewagte Programm-Kombination auf Sat 1 so gut bewährte. „Stirb langsam“ folgte da jahrelang ausgerechnet auf „Sissi“ – und viele Frauen zappten nicht weg. Der Polizist John McClane, den Bruce Willis seit 1988 in der „Stirb-langsam“-Reihe derzeit zum fünften Mal mimt, ist tatsächlich so eine Art Kaiser Franz Joseph des Actionfilms – zumindest wenn man davon ausgeht, dass der österreichische Herrscher so war, wie ihn Karl-Heinz Böhm spielt: Frau und Familie sind das Wichtigste. Ähnlich wichtig ist noch das eigene Land, in dessen Dienst man seine ganze Kraft stellt.

Bruce Willis’ ewiges Verdienst wird sein, dem Actionfilm Ende der achtziger Jahre ein völlig neues Gesicht gegeben zu haben. Damals regierten Rambo und Terminator das Genre – gespielt von Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger. Beide übernatürlich aufgepumpt und nicht gerade mit feinsinnigem Wortwitz und emotionaler Intelligenz gesegnet – zwei Kampfmaschinen, die Männerrudel in die Kinos lockten. John McClane war anders: normal trainiert, ketterauchend, witzig, schwitzig und sogar verletzlich. McClanes Kampfspruch ist kein blechern mechanisches „Hasta la Vista Baby“, sondern ein prolliges „Yippie Ya Yay, Schweinebacke!“ Im Prinzip ist McClane ein ganz normaler Typ, der immer nur zur falschen Zeit am falschen Ort ist, aber dann eben tut, was ein Mann tun muss.

Die Knarre langweilt ihn – aber nur für kurze Zeit

Jetzt hat er „Stirb langsam 5“ gemacht. Und da ist er der falsche Mann zur falschen Zeit, leider. Dabei war der Schauspieler mit der Rolle des coolen, sprücheklopfenden John McClane bisher so verschmolzen, dass man sich kaum vorstellen kann, dass Willis als Kind gestottert hat. Schauspielunterricht war für den Jungen zunächst nur eine Art Sprechtherapie. Als der damals 33-Jährige 1988 schließlich in seine Paraderolle schlüpfte, war er für den Regisseur John McTiernan eher so eine Art billige Verlegenheitslösung. Schwarzenegger, Stallone, Harrison Ford, Mel Gibson und sogar Richard Gere wären McTiernan lieber gewesen, wollten aber die Rolle nicht spielen. Bruce Willis kannte man damals als Ehemann der Schauspielkollegin Demi Moore und weil er zuvor schon einen Golden Globe gewonnen hatte, allerdings nur für eine Fernsehserie. In der viel gelobten Reihe „Das Model und der Schnüffler“ spielte Willis den frechen Detektiv David Addison.

Seine Schwäche für die etwas unkonventionelleren Stoffe lebte Willis auch nach seinem steilen Aufstieg zum Blockbuster-Star immer wieder aus. In „12 Monkeys“ und „Pulp Fiction“ bewies er überzeugend, dass Willis und McClane mitnichten ein und dieselbe Figur sind.

Als Bruce Willis sich 1999 anschickte, in „The Sixth Sense“ einen Kinderpsychologen zu spielen, ging er sogar soweit, seinen Abschied vom Actionkino zu verkünden. „Es langweilt mich, mit einer Knarre in der Hand die Straße herunterzurennen“, sagte er in Interviews. Eine Aussage, die er sich zu diesem Zeitpunkt problemlos leisten konnte, schließlich gehörten er und seine Frau Demi Moore damals zu den bestbezahlten Schauspielern in Hollywood.

Und dann kamen private Turbulenzen

Weil der Name Bruce Willis lange in Hollywood für Authentizität stand, war man geneigt, ihm seine deutliche Ansage zu glauben. Doch irgendetwas muss zwischen 1999 und 2007 passiert sein, was Willis dazu brachte, seine Meinung zu ändern. Denn auf einmal kam „Stirb langsam 4.0“ in die Kinos. Privat jedenfalls waren es wohl harte und turbulente Zeiten für Willis. Im Jahr 2000 ließ das Vorzeigepaar Willis und Moore sich nach dreizehn Jahren Ehe scheiden. Die drei Töchter blieben bei ihrer Mutter, die fünf Jahre später den 16 Jahre jüngeren Ashton Kutcher heiratete. Die Trennung machte Bruce Willis, wie er später zugab, mehr zu schaffen, als er öffentlich zugab. Kurz vor seiner Rückkehr als John McClane suchte Bruce Willis sich für eine unbedeutende weibliche Nebenrolle in dem Film „Verführung einer Fremden“ persönlich ein Model aus, das der jungen Demi Moore verblüffend ähnlich sieht: Emma Heming, Jahrgang 1978 – genau wie Ashton Kutcher. Heming wurde 2009 Willis’ zweite Ehefrau und machte den 57-Jährigen vor zehn Monaten erneut zum Vater einer Tochter.

Wen nach Willis’ Comeback als John McClane in „Stirb-Langsam 4.0“ das ungute Gefühl beschlich, dass auch dieser ansonsten so coole, in sich ruhende Kerl sich mit dem Altern in Würde schwer tun könnte, durfte 2010 erst einmal aufatmen, als Willis in „R.E.D. – Älter, Härter, Besser“ an der Seite von John Malkovich, Samuel L. Jackson und Helen Mirren wohltuend selbstironisch einen ausrangierten CIA-Agenten spielte.

Willis darf alt werden, aber bitte nicht uncool!

Daniel Craig, sagte Willis, sei der derzeit beste Actionheld, sozusagen der legitime Nachfolger von John McClane. Und trotzdem schlüpft Willis – als wäre in all den Jahren nichts passiert – nun zum fünften Mal in die Rolle des Actionhelden der Achtziger. Anders als die Herren Stallone und Schwarzenegger hat er sich für seine Rückkehr aus der wohlverdienten Pension zwar nicht merklich liften lassen. Willis sieht in „Stirb langsam – ein guter Tag zum Sterben“ noch immer gut, aber alt aus. Wie ein Mann, der merkt, dass seine Rolle nicht mehr in die Zeit passt. Mit penetrant unlustigen Späßen über McClanes Alter versucht der Film, das aufzufangen, und bewirkt damit viel Schlimmeres. Willis lässt fast schon resigniert zu, dass das Drehbuch den einst so lässigen John McClane nun wie eine Karikatur seiner selbst wirken lässt. Ein schwerer Fehler: Bruce Willis darf alt werden, aber bitte nicht uncool!

Und vieles deutet darauf hin, dass John McClane in „Stirb Langsam 6“ die Show seinem nun eingeführten Sohn überlassen wird, der von Jai Courtney gespielt wird. Nie gehört? Knappe Beschreibung: aufgepumpte Muskelmaschine, die kurz im TV-Historien-Splatter „Spartacus“ mitschlachten durfte. Witzigster Spruch: als ihn Vater McClane fragt, „auch ein Küsschen?“, antwortet der Sohn: „Das ist in unserer Familie nicht üblich.“ Ja, und das ist wirklich traurig.