VfB-Trainer Bruno Labbadia holte nach dem Spiel gegen Leverkusen zu einem regelrechten verbalen Rundumschlag aus. Aber wen oder was hat er mit seinem Ausbruch gemeint? Eine Analyse.

Stuttgart - Am Sonntag hat der VfB Stuttgart 2:2 gegen Bayer Leverkusen gespielt. Das Ergebnis wird jedoch kaum sehr lange in Erinnerung bleiben – im Gegensatz zu dem Auftritt von Bruno Labbadia in der anschließenden Pressekonferenz. Der Trainer holte zu einem regelrechten Rundumschlag aus. Zwei Eindrücke sind damit revidiert: erstens, dass Labbadia nicht emotional sein kann, und zweitens, dass der VfB bundesweit kaum noch einen interessiert. Die Rede von Labbadia lieferte Schlagzeilen (Video der Pressekonferenz). Aber wen oder was hat er mit seinem Ausbruch gemeint?

 

Die Vereinsführung

„Es wundert mich nicht, dass hier alle paar Monate ein neuer Trainer geholt wird.“

Mal abgesehen davon, dass Labbadia nicht erst seit ein paar Monaten, sondern schon seit fast zwei Jahren im Amt ist, wirft er dem VfB damit vor, bisher wenig Rückgrat gegenüber Kritik von außen zu zeigen und keinen langfristigen Plan zu haben. Dabei war die Fluktuation auf dieser Position in Stuttgart zuletzt auch nicht höher als bei vielen anderen Vereinen. Aber die Fundamentalkritik von Labbadia passt ins Bild. Er vermisst die Wertschätzung seiner Vorgesetzten. Zudem ist er allem Anschein nach auch unzufrieden mit der grundsätzlichen Ausrichtung des Vereins, der nicht bereit ist, ein finanzielles Risiko einzugehen. Deshalb wurden die Personalkosten in den vergangenen beiden Jahren zurückgeschraubt.

Trotz Etatkürzungen in der Europa League

Er habe den Verein in die Europa League geführt – trotz der „Etatkürzung von 20 Millionen Euro, die ich mitgemacht habe“, sagt Labbadia. In der Tat hat der VfB zwar gespart – mit einem Personaletat von rund 40 Millionen Euro belegt er aber dennoch weiter einen Spitzenplatz in der Liga. Und Geld ausgegeben hat der Club auch, etwa 3,5 Millionen Euro für William Kvist oder fünf Millionen Euro für Vedad Ibisevic, der im Winter verpflichtet wurde und ein Vorgriff auf die Sommertransferperiode war.

Die Medien

„Einige haben sich in den letzten Wochen Unwahrheiten erlaubt, die absolut unter der Gürtellinie waren.“

Mit großer Empörung hat Labbadia über die Arbeit der Medien gewettert – und vor allem die Stuttgarter Zeitung gemeint. Vom Präsidenten Gerd Mäuser bekommt er Unterstützung: „Ich kann den emotionalen Ausbruch unseres Trainers absolut nachvollziehen und bin inhaltlich und in der Sache völlig bei ihm“, sagt Mäuser. Allein die Wortwahl „am Arsch geleckt“, die „hätte ich mir anders gewünscht“.

Es sind im Wesentlichen zwei Dinge, die der Trainer ganz anders sieht: Zum einen hatte die StZ von einer Sitzung der VfB-Jugendtrainer in diesem Sommer berichtet, bei der sich Labbadia sehr kritisch über die Nachwuchsprofis Raphael Holzhauser, Kevin Stöger und Antonio Rüdiger geäußert haben soll. Und zum anderen ging es um den Co-Trainer Eddy Sözer, der nach StZ-Informationen im Verein und nicht zuletzt im Mannschaftskreis umstritten sein soll.

Labbadias Assistent hatte ein Akzeptanzproblem

Labbadia selbst hat sich zu den Vorgängen auf der Trainersitzung, die der StZ von Teilnehmern geschildert worden war, öffentlich nicht explizit geäußert. Der Manager Fredi Bobic war es, der der Darstellung widersprochen hat. Seither jedoch haben nach dem einstigen Jugendkoordinator Marc Kienle auch die langjährigen Nachwuchschefs Frieder Schrof und Thomas Albeck den Verein verlassen. Ein Grund für ihre Wechsel bestand auch darin, dass sie unter Labbadia die Durchlässigkeit von der Jugend zu den Profis vermisst haben.

Eddy Sözer wiederum verwahrt sich entschieden gegen die Darstellung zu seiner Person, der auch Fredi Bobic widerspricht. Der VfB-Manager, der sich mit aller Vehemenz vor den Trainer stellt, hatte zuletzt von „Rufmord“ gesprochen. Allerdings galt es auch in Leverkusen und Hamburg, den früheren Stationen des Trainergespanns, als offenes Geheimnis, dass Labbadias Assistent im Mannschaftskreis ein Akzeptanzproblem hatte.

Die Talente

„Raphael Holzhauser wäre heute nicht mehr hier im Verein, wenn ich vor ein paar Wochen nicht mein Veto gegen eine Ausleihe eingelegt hätte.“

Der 19-jährige Österreicher war in der Saisonvorbereitung sehr unzufrieden. Er fürchtete, bei den VfB-Profis keine Chance zu bekommen. So kam das Angebot von Sheffield Wednesday gerade recht. Der britische Zweitligist hatte Holzhauser beim Testspiel des VfB in Swansea beobachtet und wollte den hochveranlagten Mittelfeldspieler unbedingt ausleihen. Auch Holzhauser drang auf einen Wechsel nach England. Nach tagelangen Verhandlungen, berichtet sein Berater Alexander Sperr, habe Labbadia schließlich erklärt, dass ein Transfer nicht infrage komme.

Als Holzhauser ausgewechselt wurde, war das Publikum sauer

Im Anschluss daran hat der Trainer von Holzhauser immer wieder Geduld eingefordert und erklärt, die jungen Spieler seien noch nicht so weit und müssten besser sein als die alten. „Harte Arbeit“ sei es gewesen, seinen Schützling in dieser Zeit bei Laune zu halten, sagt Sperr. Gegen Hoffenheim (0:3) wurde Holzhauser erstmals eingewechselt, in Nürnberg spielte er erstmals von Beginn an – und war beim 2:2 gegen Leverkusen bis zu seiner Auswechslung der beste Spieler in der Stuttgarter Mannschaft. „Noch verfalle ich nicht in Jubel“, sagt Sperr, „aber wenn es so weiterläuft, hat der Trainer alles richtig gemacht.“

Die Fans

„Trainer sind nicht die Mülleimer von allen Menschen.“

Als Holzhauser ausgewechselt wurde, war ein Teil des Publikums sauer. Die „Bruno raus“-Rufe in der Cannstatter Kurve und auf der Haupttribüne waren nicht zu überhören. Dabei war Holzhauser angeschlagen, was die Fans jedoch nicht wussten. „Es ist klar, dass die Leute viele eigene Talente sehen wollen, aber die Entscheidung darüber liegt beim Trainer“, sagt der Fanbeauftragte Peter Reichert. Er meint, dass die Reaktionen auf die Wutrede von Labbadia vermutlich gespalten ausfallen würden.

Ein Teil der Anhänger würde Verständnis für den Coach zeigen, ein anderer würde ihn für dünnhäutig halten, sagt Reichert. Das wichtigste Kriterium bei der Beurteilung eines Trainers ist für einen Fan normalerweise ohnehin die sportliche Entwicklung, die beim VfB momentan unbefriedigend ist. Fußball ist eine Disziplin, in der die Ergebnisse zählen. Daran wird jeder Trainer gemessen. In der Bundesliga liegt die Elf mit sechs Punkten auf dem 15. Platz unmittelbar vor den Abstiegsrängen, in der Europa League ist sie Letzter in einer Gruppe mit Steaua Bukarest, Kopenhagen und Molde. Das frustriert die Fans.

Wie es jetzt weitergeht? Nach der Wutrede von Labbadia will der VfB zur Tagesordnung zurückkehren. Konsequenzen sind jedenfalls nicht geplant – und auch keine weiteren Trainerdiskussionen.