Ines Witka hat für ihr Buch „Eine Familie macht Karriere“ beruflich erfolgreiche Paare aus der Region interviewt, die sich die Kindererziehung teilen. Dabei gibt es viele unterschiedliche Modelle.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Ines Witkas letzte Babypause ist lange her. Ihre Kinder studieren heute. Nach der Geburt der Tochter hatte sie zunächst weiter gearbeitet, nach der Geburt des Sohnes die Berufstätigkeit aufgegeben. Sie dachte, als hoch qualifizierte Frau würde sie schon kein Problem bekommen. Doch dem war nicht so. Sie fand den Wiedereinstieg in die alte Branche nicht, musste sich neu orientieren: „Bei dem Modell, das ich gelebt habe, sind die Frauen die Verlierer“, sagt sie heute, als 55-Jährige.

 

Die Stuttgarterin hat nicht nur aus der eigenen Biografie ihre Schlüsse gezogen, sie gibt diese auch weiter: Unter dem Titel „Eine Familie macht Karriere“ hat Ines Witka beim Stuttgarter Gatzanis-Verlag ein Buch über die gleichberechtigte Elternschaft veröffentlicht. Bei diesem Modell bringen sich Vater und Mutter gleichberechtigt in der Kindererziehung ein, sodass im Beruf keiner zurückstecken muss – oder eben beide gleichermaßen nur ein bisschen. Dafür hat sie zahlreiche Interviews mit Paaren aus der Region Stuttgart geführt, die dieses Modell vorleben. Eine Auswahl findet sich in ihrem Buch. „Mir waren positive Beispiele wichtig“, sagt sie. Damit angehende Eltern, die beruflich erfolgreich sind, sehen: So könnte es gehen – 15 praktische Tipps zum Abschluss inklusive. Dass die meisten Eltern das klassische Modell leben, weiß Witka. Gerade erst hat eine aktuelle Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach ergeben, dass sich Eltern kleiner Kinder zwar gleiche Arbeitszeiten für beide Partner wünschen, dies jedoch nur bei einem Drittel der Eltern der Fall ist. In den meisten Familien arbeitet der Vater nach der Geburt des ersten Kindes in Vollzeit weiter, während die Mutter nur noch in Teilzeit oder gar nicht mehr berufstätig ist. Dabei würde die Mehrheit der nicht arbeitenden Frauen gerne wieder zurück in den Beruf – und auch mehr als die Hälfte der Väter wünscht sich der Studie zufolge, die Betreuung gleichberechtigt mit der Partnerin zu teilen. Wunsch und Realität klaffen also oft auseinander.

Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander

„Es ist eigentlich erschreckend, dass sich über all die Jahre nichts geändert hat“, meint Witka. Um Altersarmut vorzubeugen, müsste aus dem Familieneinkommen eine private Rentenabsicherung für die Mutter finanziert werden, damit sie im Fall einer Trennung abgesichert ist: „Die Modernisierung des Unterhaltsrechts geht von dem gleichberechtigten Partnermodell aus.“ Dass Altersarmut weiblich ist, zeigen auch Ende Juli veröffentlichte Zahlen des Statistischen Bundesamts: demnach beziehen nur 26 Prozent der alleinlebenden Frauen eine eigene Rente.

Ines Witka hat mehrere Wochen gebraucht, um ihre Vorzeigepaare zu finden. Zuerst habe sie es im Bekanntenkreis versucht, erfolglos. Über Netzwerke, wie Spitzenfrauen Baden-Württemberg, wurde sie fündig. Beeindruckend seien alle gewesen, meint sie. Am entspanntesten kam ihr ein Paar vor, das folgende Aufteilung hat: beide arbeiten 80 Prozent beim gleichen großen Stuttgarter Unternehmen. Indem sie zu versetzten Zeiten im Büro sind, gelingt es, dass ihr Sohn kürzer in der Kita bleiben kann. „Wir wollten beide partnerschaftlich leben. Keiner hat dem anderen die Idee aufgezwängt“, sagt Stephanie, die Mutter, im Buch. Sie hätten aber auch gemerkt, dass es nicht auf das gleiche Verständnis stößt, wenn der Mann früher geht, um sein Kind abzuholen oder zu Hause arbeiten muss, weil dieses krank ist. „Das ist noch nicht akzeptiert“, so der Ehemann.

Die Paare, die Ines Witka vorstellt, stehen trotz des gleichberechtigten Ansatzes für unterschiedliche Modelle: mal sind beide selbstständig und eine Großmutter hilft, in einem anderen Fall ist sie Managerin und er fängt als Lehrer mehr auf. Besonders ungewöhnlich ist das Modell einer Familie, in der sie als Professorin für drei Tage die Woche in einer anderen Stadt arbeitet und entsprechend auch über Nacht weg ist. „Als ich den Ruf an die Fachhochschule bekam, habe ich mir das nicht sofort zugetraut. In Gesprächen mit meinem Mann entwickelte sich die Vorstellung, wie es gehen könnte, und ich bin heute superfroh, dass ich es gemacht habe“, so die Akademikerin im Buch.

Aktuell schreibt Witka an einem Erotikroman

Ines Witka ist überzeugt davon, dass die gleichberechtigte Elternschaft zufriedener macht. Deshalb hat sie die Paare auch über ihr Sexualleben befragt. Hemmungen hat sie vielleicht weniger als andere, da sie über Erotik auch schon Bücher geschrieben hat. Aktuell sitzt sie an einem Erotikroman.

Kürzlich hat Ines Witka einen Vortrag über das Elternthema bei dem Frauenclub Soroptimisten Club Stuttgart Zwei gehalten. Der Abend sei kontroverser als sonst abgelaufen, berichtet das Mitglied Sarah Hollborn-Roßbach. Es sei eben ein sehr emotionales, sehr persönliches Thema. Ihr Fazit: „Was das richtige für einen ist, muss jede für sich herausfinden.“