Umfragewerte zeigen: Die dunkle Stimmungslage reicht bis weit in die Mitte der deutschen Gesellschaft hinein. Die Feindlichkeit gegenüber Asylbewerbern, Muslimen und Roma nimmt zu.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Berlin - „Die Ergebnisse sind nicht besonders beruhigend“, sagt der Sozialpsychologe und einer der Autoren Andreas Zick gleich zu Anfang. Das Jahr 2015 ist noch nicht zu Ende, und bundesweit gab es bereits mehr als 200 Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland, darunter in knapp 100 Fällen Brandanschläge.

 

Vor wenigen Tagen ist das Buch „Wut, Verachtung, Abwertung. Rechtspopulismus in Deutschland“ im Dietz-Verlag erschienen. Es beinhaltet eine Sammlung von Aufsätzen verschiedener Autoren, die das Phänomen Rechtspopulismus untersuchen. Die Beiträge beruhen auf neu ausgewerteten Ergebnissen der Mitte-Studie von Juni 2014. Alle zwei Jahre befragt die Uni Leipzig rund 2000 Personen zu rechtsextremen Einstellungen. Die Studie gilt als repräsentativ.

Feindlichkeit gegenüber Flüchtlingen und Muslimen wächst

„Jeder Fünfte der Bevölkerung muss als eindeutig rechtspopulistisch eingestellt bezeichnet werden“, fasst die Autorin und Sozialpsychologin Beate Küpper zusammen. Ganze 42 Prozent zeigten eine Tendenz zu entsprechenden Einstellungsmustern. Darunter seien traditionell immer etwas mehr Frauen, ältere Menschen, sowie Personen mit niedriger Bildung und geringerem Einkommen.

Die Studie zeigt, was Menschen in die Arme von NPD, AfD oder Pegida treibt: „Wut auf die Veränderungen durch Einwanderung, Verachtung für ‚die da oben’ in der Politik, Wirtschaft und Medien und eine Abwertung all derer, die schwächer sind, denen aber unterstellt wird, den eigenen Status zu bedrohen“, fasst Zick zusammen. Das Feindbild der Rechtspopulisten ist dabei austauschbar: Muslime, Flüchtlinge, Roma, homosexuelle Menschen, Frauen. Wenn man die Ergebnisse der Studie mit denen der vergangenen Jahre vergleicht, so fällt auf, dass die Feindlichkeit gegenüber Frauen und Homosexuellen zurück gegangen ist. Gleichzeitig nimmt sie gegenüber Asylbewerbern, Roma und Muslimen zu.

Im Osten gilt Vielfalt häufiger als etwas Schlechtes

Auffällig ist, dass rechtspopulistische Einstellungen unter denjenigen, die in einem ostdeutschen Bundesland leben, um zehn Prozentpunkte weiter verbreitet sind als im Westen. „Im Osten wird Vielfalt noch aus der DDR-Tradition häufig als etwas Schlechtes betrachtet“, weiß Küpper. Außerdem herrsche noch immer ein höheres Ausmaß an aggressivem Autoritarismus. Dieser führe neben Menschenfeindlichkeit gegenüber bestimmten sozialen Gruppen, antidemokratischer Haltung und einer negativen Sicht auf die EU zu einer rechtspopulistischen Gesinnung.

Viele Menschen sind sich ihrer politischen Ausrichtung aber nicht bewusst. Sie bezeichnen sich vielmehr als tolerant und verorten sich politisch „genau in der Mitte“, so Zick. „43 Prozent von denen, die sich in der Mitte einordnen, haben einen Hang zum Rechtspopulismus.“ Die meisten Personen mit einer rechtspopulistischen Tendenz finden sich unter den Nichtwählern mit 70 Prozent, gefolgt von den Anhängern der AfD mit 56 Prozent. Unter den Sozialdemokraten sind es 39,5 Prozent und bei den Wählern der Linken 36,5 Prozent. Die geringste Zahl können die Grünen mit 18 Prozent vorweisen.

Der Bundesjustizminister bleibt zuversichtlich

Trotz aller Erkenntnisse bleibt der Bundesjustizminister Heiko Maas im Interview mit dem Herausgeber des Buchs Ralf Melzer zuversichtlich: „Die Vielfalt der Kulturen, der Religionen und Traditionen ist anstrengend. (...) Da werden auch Rechtsextreme und Populisten wieder versuchen, ihr Süppchen zu kochen. Keine Frage, der Wind kann rauer werden, aber ich bin überzeugt: Die Menschlichkeit bleibt stärker als der Hass.“