Um eine drohende Schließung abzuwenden, hat der Stuttgarter Buchladen Erlkönig einen Hilferuf veröffentlicht. Außer dem Erlkönig gibt es in Deutschland nur noch einen weiteren Buchladen mit einem Sortiment für eine schwul orientierte Leserschaft.

Lokales: Armin Friedl (dl)

Stuttgart - Von vielen wahrscheinlich gar nicht sonderlich beachtet, bietet die Stuttgarter Literaturszene ein Juwel: Den schwulen Buchladen Erlkönig. Zunächst seit 1983 im Stuttgarter Westen heimisch beim früheren Café Jenseitz an der Haltestelle Schwab-/Bebelstraße, ist er 1998 an der Nesenbachstraße ansässig geworden. Sieben solcher Buchhandlungen mit dem etwas spezielleren Sortiment hat es einmal in Deutschland gegeben. Jetzt sind es, den Erlkönig eingerechnet, nur noch zwei.

 

Ob es so bleibt, dahinter steht ein Fragezeichen. Der Erlkönig-Geschäftsführer Thomas Ott hat einen Hilferuf – oder im Szenensprech: ein Coming-out – veröffentlicht: Die Existenz seiner Einrichtung sei gefährdet, der Umsatz von etwa 10 000 Euro im Monat decke nicht mehr Mietaufwand und die Kosten für zwei Beschäftigte (etwa 15 000 Euro). Der Online-Shop entwickle sich gut, werfe aber noch keinen Gewinn ab. Und die privaten Mittel, mit denen Ott bisher Finanzierungslücken geschlossen hat, sind aufgebraucht. Ott: „Wir wollen nicht schließen. Aber wir müssen, wenn sich nichts bewegt.“

Im Laden kann jedes Buch geordert werden

Damit es nicht so weit kommt, hat Ott einige Ideen in den sozialen Medien publiziert: Alle vier bis fünf Monate eine Postkarte bei Erlkönig kaufen oder drei Taschenbücher im Jahr – oder überhaupt irgendein Buch aus irgendeinem Bereich bestellen – allein die Stuttgarter Gemeinde mit der etwas anderen sexuellen Orientierung könne so den Bestand des Erlkönig sichern. Denn in der Tat kann jedes Buch – ob Reiseführer, Kochbuch oder Bestseller – dort geordert werden.

Der erste Erfolg des Aufrufs ist beachtlich: Mittlerweile geht mal ein Feiertag drauf, um bestellte Bücher an die Endkunden zu verpacken, ebenso ist die Ladenkasse besser gefüllt. Für Ott ist es aber noch zu früh zu bilanzieren. Seine Sorge ist nicht unberechtigt, dass es sich hier nur um ein Strohfeuer handeln könne.

Sein Coming-out wertet Ott als Anlass für ein grundsätzliches Nachdenken: „Ich will nicht behaupten, dass es keinen Sinn mehr macht, solch einen Buchladen zu führen. Aber die Frage ist schon, wo wir heute stehen. Ist so ein Laden überflüssig geworden oder sind wir zu bequem, um so etwas zu unterstützen?“ Denn das teilt der Erlkönig mit anderen Fachbuchhandlungen: Der international agierende Versandhandel hat die gesamte Branche umgekrempelt, alle kleineren Geschäfte mit besonderem Flair müssen sich heute viel einfallen lassen, um ihre Existenz abzusichern.

Vampir-Romane speziell für eine schwule Leserschaft

Ott: „Anfang der 1980er Jahre waren wir ein Teil einer großen Emanzipationsbewegung, kein Verlag hatte Schwule auf dem Schirm. Aber im Rückblick gesehen war das eine sehr gute Zeit für uns. Da ist jetzt vieles selbstverständlicher geworden.“ So gibt es heute beispielsweise zahlreiche Vampir-Romane speziell für eine schwule Leserschaft, auch gefühlige Geschichten à la Rosamunde Pilcher. Und wie die Auslage im Erlkönig zeigt, ist das Interesse daran enorm, entsprechend groß ist die Auswahl an dieser Literatur. Doch diese werden eben auch gerne einfach bei Amazon und Co. gekauft.

Generell ist für diese Szene heute das Etikett „schwul“ etwas überholt, sie ist viel bunter und differenzierter: Dafür stehen Begriffe wie Lesben, Bisexuelle, Queer, Transgender oder Abkürzungen wie LGBT, GLBT oder LSBTTIQ. Mit den Kürzeln tut sich Ott selbst noch etwas schwer, doch mit seinem 8000 Titel umfassenden Sortiment hofft er, all deren Bedürfnisse abdecken zu können. Ott: „Es gab ja mal zwei Frauenbuchläden in Stuttgart. Für diese Kundinnen gibt es bei uns eine extra Bücherwand.“

Und es gibt noch das Regal „Gift und Galle“: „Da sind Bücher drin, die sich kritisch bis ablehnend mit Homosexualität auseinandersetzen“, so Ott. Dazu zählen etwa zahlreiche Autoren aus dem Kirchenumfeld, aber auch beispielsweise der frühere Katzenroman-Autor Akif Pirincci („Felidae“). Ott: „Wenn man schon mit Dreck beworfen wird, sollte man auch wissen, wie der aussieht.“