Fitnessstudio im Freien, Naturspielplatz, Landeplatz für Zugvögel, Arche Noah und der eigene Bioladen in einem – eine Streuobstwiese hat viele Funktionen. Claus-Peter Hutter hat „dieser zweiten Erfindung des Paradieses“ ein Buch gewidmet.

Leutenbach - Fitnessstudio im Freien, Naturspielplatz, internationaler Landeplatz für Zugvögel, Arche Noah und der eigene Bioladen in einem – eine Streuobstwiese hat viele Funktionen. Für Claus-Peter Hutter sind mit Apfel-, Birnen- oder Zwetschgenbäumen bepflanzte Wiesen „die zweite Erfindung des Paradieses“. Und so hat der Präsident der Naturschutzstiftung Naturelife-International, die ihren Sitz in Ludwigsburg hat, dem „grünen Kulturerbe Baden-Württembergs“ ein Buch gewidmet.

 

Den rund 140 Seiten starken, reich bebilderten Band hat Hutter nun bei einer Veranstaltung im Lehrgarten des Obst- und Gartenbauvereins Weiler zum Stein vorgestellt. Bei diesem Buch sei ihm der „ganzheitliche Ansatz“ besonders wichtig gewesen, sagt der Autor – er habe die Streuobstwiese nicht nur als Lebensraum der Pflanzen und Tiere zeigen wollen, sondern auch aus der Sicht des Obstbaus. Wenn man diese Landschaftsform erhalten wolle, argumentiert Hutter, genüge es nicht, sie allein als wichtigen Lebensraum für Tiere zu zeigen. Es seien andere Aufhänger nötig, die gerade jüngeren Menschen Lust machten, „das Erbe von Oma und Opa anzutreten“.

So beschreibt Claus-Peter Hutter die Wiesenbewohner, vom Fuchs bis zum Steinkauz, vom Wiesen-Pippau bis zur Ackerwitwenblume, erklärt aber auch wie die heutigen Kultursorten vom Apfel bis zur Zwetschge entstanden sind. Welche Sorten wozu geeignet sind, wie man die Bäume pflegt, was man beim Herstellen von Dörrobst, Saft oder Destillaten beachten muss und welche Arbeitsgeräte vorhanden sein sollten, erfahren Leser ebenfalls.

Ein „Obstwiesenjogging“ durchs Jahr bietet einen Arbeitsplan von Januar bis Dezember. Und weil die Obstwiese nicht nur ein Ort des Schwitzens, sondern auch der Muße sein soll – ein Platz, an dem Mensch die „neue Landlust“ ausleben kann – gibt Hutter Tipps, wie man sie zur Spielwiese für Kinder macht. Eine Adressliste zählt zudem kompetente Ansprechpartner auf. „Wenn es die Obstwiese nicht gäbe, dann müsste sie erfunden werden“, sagt Claus-Peter Hutter, der mit seiner Familie drei solche Grundstücke bewirtschaftet.

Dass die seit rund 200 Jahren systematisch angelegte Streuobstwiese das Ergebnis einstiger purer Not ist, dass sie in kargen Zeiten als dringend benötigter Lieferant für Früchte, Dörrobst und Most diente, ist historisch interessant, aber lange her. Mit rein wirtschaftlichen Aspekten könne man längst nicht mehr punkten, sagt Hutter, dann schon eher mit der Sehnsucht nach Natur, welche sich in den teils hohen Auflagenzahlen diverser Magazine zum Thema Landleben zeige.

Das sieht auch Rolf Heinzelmann so, der Geschäftsführer des Landesverbands für Obstbau, Garten und Landschaft (LOGL). Über die Gewinnschiene Streuobstwiesen zu erhalten, klappe nicht, sagt Heinzelmann: „Wir wissen alle, dass ein Preis von vier Euro pro Doppelzentner Mostobst ein denkbar schlechtes Signal für die Motivation zum Erhalten der Obstwiesen ist.“ Sein Verband habe schon darüber nachgedacht, nach dem Vorbild der Schweiz einen Fonds einzurichten, um Preisschwankungen beim Mostobst abzufedern. Auch Verbraucher könnten helfen, indem sie Saft trinken, der nicht aus Konzentrat hergestellt ist. Ein Anreiz zur Bewirtschaftung einer Wiese könne auch die Möglichkeit sein, Saft aus eigenen Äpfeln zu pressen.

Da kommt zum Beispiel der Obst- und Gartenbauverein Weiler zum Stein ins Spiel. „Wir betreiben eine mobile Presse, in der Streuobstbesitzer den Saft von eigenen Äpfeln pressen und in Fünf-Liter-Boxen abfüllen können“, sagt dessen Vorstand Rolf Krautter.

Ein Refugium für Flora und Fauna

Streuobst
In Baden-Württemberg stehen auf rund 116 000 Hektar Fläche circa 9,3 Millionen Obstbäume. Ungefähr 60 000 Hektar dieser Obstwiesen werden von Privatleuten bewirtschaftet. Im Jahr 1990 lag die Gesamtfläche an Streuobstwiesen laut dem Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft (LOGL) noch bei 180 000 Hektar. In intakten Obstwiesen kommen laut dem Verband bis zu 5000 Tier- und Pflanzenarten vor.

Stiftung
NatureLife-International ist eine Stiftung für Umwelt, Bildung und Nachhaltigkeit. Sie will eine ökologische und ökonomische Strategie im Sinne gerechter, nachhaltiger Entwicklung innerhalb ihrer Projekte fördern