„Wir können nicht allen helfen“ – so lautet der Titel des Buches, das Boris Palmer Anfang August vorstellen wird. In seiner Partei eckt er damit einmal mehr an.

Stuttgart/Tübingen - Die Flüchtlingskrise hat nach Ansicht des prominenten Grünen-Mitglieds Boris Palmer die Republik gespalten. „Die Flüchtlingskrise hat den Effekt, dass Menschen nicht mehr miteinander reden können, dass sie das Thema ausklammern, sich gegenseitig abwerten, auch im Freundes- und Familienkreis“, sagte der Tübinger Oberbürgermeister der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Die Menschen müssten wieder miteinander sprechen. Er plädiere dafür, dass man nicht nur den eigenen Standpunkt als legitim betrachten sollte, sondern auch den anderen, möglicherweise konträren.

 

Palmer bezeichnete dies als das Hauptziel seines Buches mit dem Titel „Wir können nicht allen helfen“, das er am 3. August in Berlin rund sieben Wochen vor der Bundestagswahl vorstellen wird. Seit langem sorgt der 45-Jährige bereits in Facebook und in Interviews mit seinen Positionen zum Flüchtlingsthema für kontroverse Debatten.

„Wir können nicht allen 65 Millionen Flüchtlingen in der Welt in Deutschland Asyl gewähren“, sagte er. „Wir schaffen es nicht einmal, allen in ihren Heimatländern Zugang zu Trinkwasser, Nahrung und Bildung zu geben.“ Der Titel seines Buches drückt seiner Meinung nach eine Selbstverständlichkeit aus. Dennoch rege er viele Menschen auf, bevor das Buch überhaupt erschienen sei. „Und genau darum geht es in dem Buch: dass man Menschen nicht auf einen Satz reduziert.“

„Flüchtlingskrise ist noch nicht vorbei“

Auch innerhalb der Grünen eckt Palmer oft mit seinen Meinungen an. „Es tut den Grünen gut, wenn sie um den richtigen Weg ringen. Wir sind keine Partei, die - wie die CDU - immer geschlossen sein muss“, sagte er dazu. Er wünsche sich aber von seiner Partei, dass sie real-konkrete Vorschläge genauso gelten lasse wie linksutopische Meinungen. „Da sehe ich eine Ungleichbehandlung. Man darf bei uns jede Utopie formulieren. Das ist akzeptiert. Aber wenn jemand sagt, dass etwas nicht machbar sei, führt das oft zur Aufregung.“

Kritiker und manche Medien bezeichnen Palmer als „grünen Sarrazin“. Der frühere SPD-Finanzsenator von Berlin, Thilo Sarrazin, hatte vor Jahren mit Thesen zur Flüchtlingspolitik für eine kontroverse Debatte gesorgt. Dass er nun mit Sarrazin verglichen und zuweilen in die Nähe der Alternative für Deutschland (AfD) gerückt werde, bezeichnete Palmer als „Unkultur“. „Lasst uns über die Sache streiten. Man darf aber nicht jedem, der etwas sagt, was einem selbst gerade nicht ins Konzept passt, entgegenschleudern: Geh doch zur AfD.“

Palmer geht davon aus, dass die Flüchtlingskrise noch nicht vorbei ist. „Dass im Sommerhalbjahr mehr Flüchtlinge kommen, steht fest.“ Deutschland müsse sich über viele Jahre darauf einstellen, dass eine große Zahl von Menschen hier Schutz suchen werden.