Auf den ersten Blick scheint alles klar zu sein. Das Theaterstück „Achterbahn“ hält allerdings viele verblüffende Wendungen bereit. Am vergangenen Samstag war die brillante, typisch französische Komödie in Birkach zu sehen.

Der Fall, den das „Tournee Theater Stuttgart“ auf Einladung des Birkacher Bürger- und Kulturvereins mit der „Achterbahn“-Komödie von Eric Assous vorlegt, scheint sonnenklar. Und fast ein bisschen banal. Jedenfalls dann, wenn die laxe Alltagsmoral zur Anwendung kommt, der sich die Protagonisten des Zwei-Personenstücks zu bedienen scheinen: Ehefrau und Sohn sind im Skiurlaub, der schon leicht angegraute Gatte hängt an einer Bar ab, wo sich ihm eine attraktive junge Frau ins Sichtfeld drängt. Und flugs landet man bei ihm zu Hause auf der Couch! Ein paar Drinks, ein bisschen Geplänkel – bis ihr Familienfotos ins Auge stechen. Nun muss er zugegeben, was bis dato keine Rolle gespielt hatte. Nämlich: „Ich bin ein Ehemann, der im Amt ist.“

 

Die offene Ehe sei überholt

Juliette streift das gepunktete Mäntelchen wieder übers knappe rote Kleidchen, wirkt dann aber doch nicht so richtig wild zum Aufbruch entschlossen. Stattdessen verwickelt sie Pierre in Rechtfertigungsdialoge: „Ich lasse die Finger von verheirateten Männern“, er hält das für eine „spitzfindige Phrase“.

Sie nennt das Konzept „offene Ehe“ überholt, er glaubt, nun habe man noch „den ganzen Abend, um Sie umzustimmen“. Und wie aus heiterem Himmel geht sie ihm an die Wäsche, um sich genau so schnell als Professionelle „aus der oberen Liga“ zu outen. 500 Euro? Geht schon, denn „Treue ist nicht der beste Liebesbeweis“. Aufmerksamkeit tut’s auch: „Lieber betrügen und verwöhnen, als treu sein und vernachlässigen.“

Und schon hat der Mann mit der Lust aufs amouröse Intermezzo die nächste Volte an der Backe: Juliette ist gar keine Professionelle, sondern eine „Journalistin“. Und das Tête-à-Tête entpuppt sich nur als Versuchsanordnung, der sie eine prickelnde Reportage abmelken will. Längst traut man Juliette noch ganz andere Hakenschläge zu – und ahnt, mit welcher Lust da ein Alain Delon bei der Pariser Uraufführung im Jahre 2004 den alternden Latin Lover gegeben haben mag.

Das Frivole findet in der Sprache statt

Mit solchen verblüffenden Wendungen hält die Handlung die Zuschauer in Bann. Im Kern ist das Theaterstück aber eine brillante, typisch französische Komödie, die ihren Reiz nicht zuletzt aus den blitzenden Dialogen zieht. Das Frivole findet eher in der Sprache statt und weniger auf der Bühne, die deshalb auch mit minimaler Ausstattung auskommt. Mithin auch in den Bildern, die in den Köpfen des Publikums entstehen, in den Fantasien, die sich daraus entspinnen.

Offensichtlich sind hier nun die Schwächen der Inszenierung. Flott schnurrt zwar das feinmechanische Räderwerk der Dialoge, und die Pointen sitzen: Beim Schauspieler Klaus Ellmer aber auch zumeist ein wenig zu laut und zu forciert, bei Stephanie Lauppe immer mal wieder huschig und unklar. Kaum eine Spur von Finesse und Differenzierungskunst, von Ahnung, Geheimnis und Spannung, die aus dem Dazwischen zu schöpfen wäre. Zudem ist die Inszenierung extrem arm an Tempo- und Rhythmuswechseln, weshalb der turbulente Beginn des zweiten Aktes doppelt erfrischend wirkt.

Bald aber befindet sich das Spiel wieder auf den alten Geleisen, weshalb die finale Wendung allzu flach – und so gar nicht berührend gerät. Statt die Achterbahnfahrt der Gefühle auf den Höhepunkt zu treiben, landet man ratzfatz mit Papi auf dem Rummel. Und im plakativen Kleinmädchentraum von gebrannten Mandeln und Zuckerwatte. Amüsant war es dennoch, und die Besucher begaben sich leichten Sinnes hinaus in die winterliche Birkacher Nacht.