Nun ist es Wirklichkeit: Weil ihnen das sanierte Waaghäusle neben der Zehntscheuer optisch missfiel, haben sich Plieninger Bürger zusammengetan, um selbst Hand anzulegen. Damit haben sie Neuland betreten.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen - Das Ehrenamt staubt und lärmt. Eberhard Kalmbach drückt den Abbruchhammer gegen die Mauer, tock-tock-tock, der Putz bröckelt auf seine Schuhe. Das alte Zeug muss runter, es ist in die Jahre gekommen. In den vergangenen Tagen musste noch mehr runter vom historischen Waaghäusle an der Zehntscheuer. Allerdings nicht, weil der Zahn der Zeit daran genagt hätte. Die Latten sind recht neu gewesen. Mit ihnen war der kleine Anbau vor nicht allzu langer Zeit verschalt worden – im Zuge der Sanierung der Zehntscheuer.

 

Bürger haben sich vehement gewehrt

Was optisch dabei herausgekommen war, tat etlichen Plieningern in den Augen weh: Fahrradschuppen und Hasenstall waren noch die netteren Umschreibungen. Also haben sie sich vehement gewehrt – zum Beispiel mit Unterschriften.

Die bürgerliche Gegenwehr hatte Erfolg. Sonst würden sich Eberhard Kalmbach, Otto Kälble und die anderen an jenem Mittag nicht Hosen und Hände schmutzig machen. Ein Teil der Bezirksbeiräte – die für diesen Einsatz das Parteibuch vergessen und sich nur als Bürger verstehen – haben das Waaghäusle von den verhassten Latten befreit und so die Fachwerkfassade wieder hervorgeholt. Seit sie werkeln, seien immer wieder Leute vorbeigekommen, die ihnen für den Dienst an der Ortshistorie verbal auf die Schulter geklopft hätten, erzählen die Helfer.

Die Stadt war wohl überraschter als die Bürger

Dass es überhaupt so weit kommen würde und sie Hand anlegen würden, haben die Bürger bis zum 11. Dezember 2014 sicher selbst nicht für möglich gehalten. Doch an dem Tag kam eine E-Mail, die alles verändert hat. Die endgültige Entscheidung fiel bei der Sitzung des Bezirksbeirats Anfang Februar. Ein Vertreter der Stadt war da und stellte die Lokalpolitiker – wie bereits in der E-Mail – vor die Wahl: Wenn jemand das Waaghäusle in seinen Ursprungszustand versetzt, dann nicht die Stadt, sondern die Kritiker selbst. Dass Letztere tatsächlich einwilligen, „darüber war die Stadt wahrscheinlich überraschter als wir“, sagt Michael Wörner. „Aber wir sind halt Plieninger, und das haben die unterschätzt“.

Bis dato hatte sich die Stadt eisern gezeigt: Eine Renovierung der Renovierung stand nicht zur Debatte. Schließlich hätten alle Bürger die öffentlich ausgehängten Pläne fürs Waaghäusle studieren können. Die Kritik käme schlichtweg zu spät.

Das sehen die, an die diese Botschaft adressiert war, freilich völlig anders. Bei den Beispielbildern habe es sich um eine typische Architektenansicht gehandelt, sagt Walter Schnee. „Was da hinterher rauskommt, kann grausam sein.“ Und das Ergebnis „haben wir ja alle gesehen, das sah furchtbar aus“. Zumal einige Details nicht gestimmt hätten, sagt Thomas Plagemann, ebenfalls einer der Waaghäusle-Retter. So sei zum Beispiel die Bretterfarbe auf der Illustration dunkler gewesen, vom Schaukasten keine Spur, und das eingezeichnete Fenster sei hinterher verbrettert gewesen.

Weil die Stadt verlangt, dass die Arbeiten am Waaghäusle fachmännisch verrichtet werden, haben sich Menschen zusammengefunden, die etwas vom Handwerk verstehen. Der Malermeister Walter Schnee zum Beispiel streicht das Waaghäusle, und Thomas Plagemann zimmert unter anderem die Fensterläden. Wegen all der Arbeit, die nun ansteht, ist der Tüftler Plagemann nicht sauer. Wegen etwas anderem schon. Bei der Sanierung sind alte Riegel und Scharniere verschüttgegangen. „Dass man diese Details zerstört und dann einen Lattenverschlag drüberbaut“, sagt er, das wolle ihm nicht in den Kopf.

Spenden statt Helfer

Für den Rückbau des Waaghäusles braucht es keine freiwilligen Helfer mehr. Über finanzielle Spenden fürs Material freuen sich die Ehrenamtlichen aber. Bitte beim Bezirksamt melden, Telefon 2 16-6 08 70.