Grün-Rot hat sich viel Zeit gelassen für das Reformpaket zur direkten Demokratie. Es ist ein sinnvolles Korrektiv – aber kein Zaubermittel gegen Politikverdruss, kommentiert Reiner Ruf.

Stuttgart - Die parlamentarische Demokratie bedarf der Bereitschaft zum Kompromiss. Im Streit über mehr direkte Demokratie haben die Akteure im Landtag diese Tugend gezeigt. Das war im beginnenden Landtagswahlkampf nicht selbstverständlich. Mit etwas Chuzpe hätte es die CDU darauf anlegen können, ein zentrales Projekt von Grün-Rot zum Scheitern zu bringen: die Erleichterung von Volksabstimmungen. Allerdings wäre die stärkste Oppositionspartei dabei beschädigt worden. Nach vier Jahren Grün-Rot kommen auch Christdemokraten Begriffe wie Bürgerbeteiligung oder Volksabstimmung nahezu schmerzfrei von den Lippen. Ein Veto hätte die CDU dem Vorwurf ausgesetzt, den Bürgern zu misstrauen. Insofern war die Einigung taktisch geboten.

 

Mit dem maßvollen Reformpaket für mehr direkte Demokratie setzt sich der Südwesten keinesfalls an die Spitze der Bewegung. Volksabstimmungen werden auch künftig kein Selbstläufer sein. Allerdings scheint es, als habe sich die Begeisterung für die direkte Demokratie ohnehin etwas abgekühlt. Auch direktdemokratische Verfahren bringen Verlierer hervor, und nicht alle vermögen die Niederlage zu verschmerzen. Als Korrektiv gegen die Abgehobenheit und Selbstbezogenheit der politischen Klasse erfüllt direkte Demokratie aber eine wichtige Funktion.