Die Wähler in Kernen sind am Sonntag aufgerufen, in einem Bürgerentscheid über den Steg auf den Sieben Linden zu entscheiden. Die Aussichtsplattform ist für die Remstal-Gartenschau gedacht.

Kernen - Der vielleicht wichtigste Hinweis an die Wähler für den Bürgerentscheid am Sonntag, 27. November, in Kernen lautet, im Wahllokal nochmals genau die ungewohnte Fragestellung zu beachten: „Sind Sie dafür, dass kein Aussichtssteg auf dem Naturdenkmal ,Sieben Linden’ gebaut wird?“ Wer also der gleichen Meinung ist wie die Initiatoren des Bürgerentscheids aus den Verbänden Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und Naturschutzbund (Nabu), dass dort „Natur genügt“, muss mit einem „Ja“ stimmen.

 

Wer sich aber dagegen wie die Gemeinderatsmehrheit aus CDU, UFW und den meisten SPD-lern auf den Aussichtssteg freut und sich davon eine Attraktion für die Remstal-Gartenschau 2019 erhofft, muss im Sinne einer doppelten Verneinung mit „Nein“ stimmen, um ein Ja zum Steg zu erhalten.

Die Fragestellung resultiert aus der Geschichte des Bürgerentscheids in Kernen

Die Fragestellung resultiert aus der Geschichte dieses Bürgerentscheids in Kernen. Bei diesem geht es um ein relativ kleines, aber sehr umstrittenes Bauwerk. Es ist eine 18 Meter lange Aussichtsplattform, die etwa zehn Meter über eine Hangkante hinausragt. Auslöser des Widerstands aus großen Teilen der Bürgerschaft ist seine Lage innerhalb der durch Rechtsverordnung festgelegten Abgrenzungen eines Naturdenkmals, den Sieben Linden (siehe Artikel rechts).

Die Landschaftsmarke der Sieben Linden wollen die Umweltschützer sichern und verhindern, dass dort, im Rückzugsgebiet für die Natur, eine weiterer Tummelplatz für über die Stränge schlagende Silvesterfeiern entsteht. „Wir wollen dort keine weitere Abschlussrampe für Silvesterraketen“, wird etwa gesagt. Der Bürgerentscheid entsteht also aus dem Konflikt zwischen der Bewahrung der Natur und ihrer Nutzung, in diesem Fall einer schon attraktiven Aussicht, die noch ein schöneres Erlebnis werden soll.

Drei Remstalblicke sollen für die Gartenschau entstehen

Der Stuttgarter Architekt Peter Cheret, beauftragt mit Planungen für die Remstal-Gartenschau 2019, hat die Idee erstmals im Gemeinderat Kernen vorgetragen. Drei Remstalblicke sollen für die Remstal-Gartenschau entstehen: in den Sieben Linden oberhalb von Stetten, an der Yburg und auf dem Hochbehälter Harthau, alle mit herausragenden Aussichten aufs sich weitende vordere Remstal. Bürgermeister Stefan Altenberger schwärmt ebenso wie Peter Cheret vom künftigen Erlebnis unter den Sieben Linden: Der Besucher tritt aus dem Wäldchen heraus auf den Steg, steht gewissermaßen schwebend auf Baumwipfelhöhe einige Meter über dem steil abfallenden Hang und hat freie Sicht nach drei Seiten. Dieser neue Eindruck hat dazu geführt, dass der Steg etwas ambitioniert als „Skywalk“ bezeichnet und als „Skywalkele“ verspottet wurde.

In Stetten ist der Steg inzwischen nicht mit dem Namen Cheret, sondern viel mehr mit dem großen Sohn der Gemeinde, dem durch besondere Konstruktionen weltweit bekannten Bauingenieur Jörg Schlaich, verbunden. Auf der Suche nach einem konkreten Entwurf hat sich Bürgermeister Stefan Altenberger an das Büro Schlaich Bergemann Partner gewandt. Der jetzt zur Abstimmung gestellte Entwurf ist filigran und benötigt durch seine Mini-Fundamente keine großen Eingriffe in Naturdenkmal. Der Entwurf ging aus einem internen Wettbewerb aller Standorte dieses weltweit tätigen Büros als Sieger hervor. Altenberger versteht den Steg als Konstruktion im Geiste Jörg Schlaichs und daher als Hommage an ihn in seiner Heimatgemeinde.

Es gibt viele Argumente für beide Standpunkte

Als die Gemeinderatsmehrheit den nun verschiedentlich schon so genannten „Schlaich-Steg“ mit einigen Wirren um Befangenheit und ehrenamtliches Mitwirken örtlicher Firmen gegen den Willen von OGL und PFB durchsetzte, sammelten Umweltschützer aus Kernen mit Andrea Höchstädter, Margret Thumm-Jorge und Martin Silber als Vertrauenspersonen in kurzer Zeit die nötigen Unterschriften, um einen Bürgerentscheid zu erzwingen. Das Nein zum Gemeinderatsbeschluss, das aus dem Bürgerbegehren sprach, steckt heute noch in der Fragestellung am Sonntag an die Wähler: „ Sind Sie dafür, dass kein Aussichtssteg auf dem Naturdenkmal ,Sieben Linden’ gebaut wird?“

Im Laufe der vergangenen Woche sind viele einsichtige Argumente für beide Standpunkte vorgebracht worden. Der entschiedenste Befürworter des Stegs, der Erste Beigeordnete Horst Schaal, fasst die Frage um einen Eingriff an einem laut Gutachten unproblematischen Rand des Naturdenkmals, um die vor allem auch am Fuß der Sieben Linden sehr weit reichende Aussicht auch oben, auf der Kuppe besser zu erleben, so zusammen: „Wir müssen uns fragen: Ist es uns das wert?“ Für ihn ist dies so.

Die Umweltschützer andererseits sagen, dass es für die Aussicht ausreicht, störendes Buschwerk im Rahmen der nötigen Gehölzpflege etwas zurückzuschneiden und für die Besucher zwei Bänke zu ergänzen.