Zum Auftakt des Bürgerforums geht es im Rathaus um die 176 Rosskastanien und Platanen, die für Stuttgart 21 weichen müssen.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Die Bürger sollen auch nach der Volksabstimmung gefragt werden, wenn beim Bau von Stuttgart 21 wichtige Entscheidungen zu treffen sind. Zu diesem Zweck hat die Stadt ein neues Bürgerforum ins Leben gerufen, das am Montag zum ersten Mal im Rathaus veranstaltet und live im Internet übertragen wurde. Für die Stuttgarter sei es wichtig, so der Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, während der langen Bauphase Fragen zu Stuttgart 21 diskutieren zu können.

 

Was soll mit den 176 Bäumen im Schlossgarten passieren, die im Baufeld stehen? Welche Risiken und Kosten entstehen bei einer Versetzung der alten Platanen? Gibt es geeignete Standorte dafür? Was tun mit Bäumen, die gefällt werden müssen? Bei der ersten Expertenrunde im Rathaus, die der Sozialwissenschaftler Ortwin Renn moderierte, wurde das Thema Bäume erörtert. Bei weiteren Veranstaltungen dieser Art würden im nächsten Jahr auch Bürger direkt beteiligt werden, erklärte er zu Beginn. Bei diesem informationslastigen Thema sei das nicht sinnvoll.

Das Verpflanzen ist möglich, aber nicht problemlos

Als Grundlage dienten zwei Gutachten, die im Kern zu einem vergleichbaren Ergebnis gekommen sind. Demnach können die großen Parkbäume nur mit erheblichem Aufwand und vielleicht nicht unbeschadet verpflanzt werden. Der Nürnberger Sachverständige Bodo Siegert, der von der Bahn beauftragt wurde, hält es zwar aus technischer Sicht für möglich, alle 176 Bäume zu verpflanzen. Nur bei etwa 80 sei das aber problemlos machbar. Die alten Platanen und Rosskastanien mit einem Durchmesser von einem Meter und mehr müssten mit einer aufwendigen Plattformtechnik versetzt werden, was bis zu 400 000 Euro pro Baum kosten und Kollateralschäden im Schlossgarten verursachen würde. Ähnlich sieht das Hartmut Neidlein, den die Projektgegner als Gutachter bestellt hatten.

So waren sich die versammelten Experten schnell in einem Punkt einig: Heiner Geißlers Schlichterspruch vollständig umzusetzen, wonach alle gesunden Bäume verpflanzt werden müssen, ist unmöglich. Zum einen sei der Park denkmalgeschützt, weshalb nicht irgendwo Bäume gepflanzt werden könnten, betonte Micha Sonnenfroh, der Leiter des Fachbereichs Parkpflege der Wilhelma. Zudem schränke ein dichtes Leitungsnetz für Fernwärme, Abwasser, Bewässerung und Strom unter dem Park den Spielraum ebenfalls ein.

Bäume als Anschauungsobjekt für Schulklassen

Giselher Kaule vom Institut für Landschaftsplanung der Uni Stuttgart plädierte dafür, die 150 Jahre alten Baumriesen, die gefällt werden, zumindest in die Stuttgarter Wälder zu legen, wo sie noch als Lebensraum für Vögel und Käfer und als Anschauungsobjekt für Schulklassen dienen könnten. Und auch der Psychoanalytiker Jörg Rasche von der Uni Berlin, der sein Augenmerk auf die tiefenpsychologischen Aspekte legte, warnte davor, die gefällten Bäume zu zerschreddern. „Das geht gar nicht“, betonte er. OB Schuster könnte sich dabei vorstellen, Lernorte im Wald einzurichten, um etwa den langsamen Zerfall zu zeigen.

Man solle nicht händeringend nach dem letzten möglichen Standort für zu verpflanzende Bäume suchen, sagte Ulrich Schraml vom Institut für Forst- und Umweltpolitik an der Uni Freiburg. „Die spannendere Frage ist: Wo braucht man Bäume?“

Die Experten waren sich am Ende der Diskussion weitgehend einig in ihrer Beurteilung. Unmutsäußerungen gab es derweil vor dem Rathaus: Dort protestierten einige Teilnehmer der Montagsdemo.