Viele Vorschläge zum Bürgerhaushalt beschäftigen sich mit der Sicherheit auf den Straßen. Doch auch einige kuriose Forderungen haben die Stuttgarter Bürger, die zum Beispiel Bungee-Jumping vom Hauptbahnhof.

Innenstadt - Vom 10. März an können die Stuttgarter über die Vorschläge im Bürgerhaushalt abstimmen. Im Hinblick darauf gibt die Redaktion in einer kleinen Serie Tipps, welche Ideen sinnvoll scheinen oder über welche womöglich schon entschieden ist. Auch die gibt es. Der erste Teil widmet sich einer Gesamtschau darauf, was die Bürger der Innenstadt bewegt.Die Bewohner der Mitte beschäftigt vor allem das Stadtbild und der Straßenverkehr. Mehr als die Hälfte der bisher eingereichten Vorschläge betrifft im weiteren Sinne diese beiden Themen. Insbesondere der Zustand der Plätze im Zentrum missfällt denjenigen, die sich am Bürgerhaushalt beteiligen. Zwölf Vorschläge beziehen auf deren Unwirtlichkeit. Für nahezu jeden Platz ist ein Vorschlag zur Verschönerung eingereicht. Allein am Zustand des Marktplatzes einschließlich der Architektur des Rathauses stören sich fünf Antragsteller. Hinzu kommen sechs Vorschläge zu Fußgängerzonen und drei zu Passagen, die freundlicher sein sollten.

 

Beim Straßenverkehr gehen die Meinungen auseinander, was zwei Anträge verdeutlichen: Der eine Schreiber fordert, die Fußgängerüberwege auf den Hauptverkehrsadern wieder abzuschaffen, der andere will an ihnen die Grünzeiten für Fußgänger verlängert wissen. Mehr als der Verkehrsfluss beschäftigt die Bürger wiederum der städtebauliche Aspekt, insbesondere die Trennungswirkung der Bundesstraßen zwischen den Vierteln des Zentrums. Mehrfach taucht die Forderung auf, Teile der Stadtautobahnen unter die Erde zu verlegen, genauso wie die, an ihren Rändern Bäume zu pflanzen.

S-Süd

Die Bürger im Süden belastet der Verkehr in ihrem Stadtbezirk. Mehr als die Hälfte aller Vorschläge befasst sich damit. Immer wieder ein Thema ist der ständige Stau vor dem Heslacher Tunnel. Ein Bürger schlägt einen vierspurigen Ausbau der B 14 vor. In erster Linie wünschen sich die Bürger zwischen Heusteigviertel und Kaltental mehr Ruhe. Die Anwohner der zwischen Marienhospital und Heslach leiden unter Lärm und Abgasen. Einige Schreiber fordern eine Verkehrsberuhigung in der Böheimstraße sowie ein Fahrverbot für Lastwagen in der Zeit zwischen 22 und 6 Uhr. Auch rund um den Marienplatz ist die Situation hektisch. Ein Bürger fordert dort allerhöchstens Schrittgeschwindigkeit. Nicht neu ist die Forderung nach Tempo 40 an den Steigungsstrecken. Ein Schreiber wünscht sich dies für die Neue Weinsteige im Bereich Zeller- und Hohenheimer Straße. Am Herzen liegt speziell den Heslachern ihr Hallenbad. Einige Schreiber fordern dieses „historische Schmuckstück“ besser instand zu halten und die Öffnungszeiten auszuweiten. Und die Kaltentaler, die wünschen sich eine bessere Nahversorgung in ihrem Stadtteil mit mehr Geschäften, besserer Kinderbetreuung sowie einer abgedeckten medizinischen Versorgung.

S-West

Um die 110 Vorschläge kommen aus dem Westen. Die meisten davon nehmen Bezug auf die verkehrliche Situation des Stadtbezirks. Ganz oben auf der Wunschliste der Westler steht das Eindämmen und Herunterbremsen des Autoverkehrs, dicht gefolgt von dem Wunsch nach mehr Grün im Bezirk und – an dritter Stelle - von mehr bezahlbarem Wohnraum. Auf der Zeppelin-, der Schwab-, der Rotenwald-, der Rotebühl- und noch etlichen anderen Straßen werden Tempo 30 und 40 gefordert. Andere wünschen an bestimmten Stellen Blitzer, Boden- oder Ampelwellen. Stark vertreten sind ferner die Radler, die sich etliche Verbesserungen wünschen. Ein Bürger schlägt eine generelle Lösung vor: „Lasst Radfahrer auf dem Bürgersteig fahren!“ Es sei „deutlich umweltschonender, wenn die Autos nicht in den engen Straßen im ersten Gang dem Fahrradfahrer hinterher fahren“, lautet die Begründung. „Zudem fühlt sich der Fahrradfahrer sicherlich deutlich wohler.“ Vergleichsweise wenige Vorschläge wie die Gästeparkkarte kamen zum Parkraummanagement. Gleich mehrere Leute machten sich indessen Gedanken um das Wohnzimmer des Bezirks, den Platz vor dem Bürgerzentrum. Vorgeschlagen wurde, ein Café zu eröffnen, ein Toilettenhäuschen aufzustellen und eine Uhr aufzuhängen.

S-Nord

Ähnlich wie in Süd und Mitte handeln auch die meisten der bisher eingereichten Vorschläge für den Bezirk Nord vom Verkehr. Gewünscht wird mehrmals die Umgestaltung der Doggenburg-Kreuzung, sowie Veränderungen an den Straßen Herdweg, Am Kräherwald und Lenzhalde, außerdem eine Straßensanierung am Kräherwald. Ebenso sind Radwege eine vielfach geäußerte Bitte: sowohl am Pragsattel, wie auch entlang der Nordbahnhofstraße und der Heilbronner Straße. Auch die Birkenwaldstraße soll einen Radweg bekommen, außerdem Zebrastreifen, um die Verkehrssicherheit für Schulkinder zu erhöhen, schreiben mehrere Antragsteller. Dreimal sind Vorschläge zum Straßenbahntakt an der Haltestelle Killesberg eingegangen. Die Bürger wünschen sich den Zehn-Minuten-Takt der Bahnen am Killesberg zurück (wir berichteten mehrfach). Auch rund um den Killesberg gibt es einiges zu verbessern: mehr Stellplätze für Besucher, Anwohnerparken sowie neue Fahrradwege und Spielplätze. Ein Bürger wünscht sich sogar, den Höhenpark einzuzäunen, Eintritt zu verlangen und damit vor allem die Vermüllung durch Hundehaufen und Partys einzudämmen.

S-Ost

Viele der Vorschläge für den Osten beschäftigen sich ebenfalls mit dem Dauerthema Verkehr. Einmal mehr wird die bereits geplante direkte Anbindung der Werderstraße an die Cannstatter Straße gefordert, für die Gablenberger Hauptstraße wird eine Reduzierung des Durchgangsverkehrs ebenso gewünscht wie eine Verflüssigung eben dieses Verkehrs, für die Kreuzung Ostend- und Hackstraße gibt es eine ganze Reihe von Vorschlägen, um die dort oft langen Wartezeiten zu verhindern.

Damit der Durchgangsverkehr erst gar nicht in den Osten kommt, wird der Bau von zwei neuen Park-and-Ride-Parkhäusern angeregt. Eines soll auf dem schon bisher von Pendlern genutzten, aber sehr kleinen Parkplatz bei der Geroksruhe gebaut werden, auch für den großen Parkplatz beim Mineralbad Berg wird der Bau eines P+R-Parkhauses vorgeschlagen.

Wie bereits beim letzten Bürgerhaushalt gibt es auch diesmal wieder eine ganze Reihe von Vorschlägen zur Villa Berg und den Park. Sie betreffen die Beleuchtung des Parks und die Nutzung der Villa. Mit einer besseren Außenwirkung des Stadtbezirks beschäftigen sich einige Vorschläge. So wird für den platzähnlichen Bereich an der unteren Talstraße eine größere Skulptur angeregt. Fast schon überregionale Auswirkungen hätte ein anderer Vorschlag: Darin wird ein Beleuchtungskonzept für den denkmalgeschützten Gaskessel gefordert.

Bungee, Bäume, Waisenkinder  – ein kleines Kuriositätenkabinett

Mitte
Offenkundig ein Jux ist der Vorschlag, Bungee-springen vom Bahnhofsturm zu erlauben. Wie ernst gemeint die Anträge sind, eine unterirdische Liederhalle und einen unterirdischen Busbahnhof zu bauen, sei dahingestellt. Fraglich ist die Annahme, dass die Leute weniger Fastfood essen, wenn im Zentrum Obstbäume gepflanzt werden.

Nord
Mehr Bäume wünscht sich ein Antragstelle für den Bezirk Nord. Dazu schlägt er eine Aktion nach Münchner Vorbild vor: Eine Allee aus Wanderbäumen, also Bäume, die nicht in den Boden gepflanzt werden, sondern mobil bleiben und nach einigen Wochen „umziehen“ können.

West „Prachtboulevard Johannesstraße schaffen“ lautet einer der Vorschläge aus dem Westen, den jemand mit der etwas spöttischen Frage kommentierte: „Was zum [setzen Sie hier ein Wort Ihrer Wahl ein] soll denn dann auf diesem Prachtboulevard zwischen Württembergischer Versicherung und Arbeitsgericht passieren?“ Mancher überschätzt auch die Machtfülle einer Stadtverwaltung ein bisschen. „Familien ab 3. Kind von Lohn- und Einkommenssteuer befreien, wie in Frankreich bereits bewährt.“

Süd „Waisenkinder fördern“, lautet die schlichte Forderung eines Bürgers aus dem Süden. Er wünscht sich für Waisen eine „qualifizierte Betreuung und Ausbildung“, damit aus diesen Kindern „starke Charaktere werden, die im Berufsleben durchstarten und mit ihren Ideen die Gesellschaft befruchten“. Ein anderer Bürger wünscht sich eine „Weihnachts-Zacke“. Wie genau diese Sonderform der Zahnradbahn aussehen soll, sagt der Schreiber nicht. Die Stadtverwaltung möge also an Weihnachten die Zacke mit etwas Lametta schmücken. Die Jäger im Süden sind einem Bürger ein Dorn im Auge. Denn immer wieder bringen die „Weidmänner Passanten in Gefahr“. Mit der Wildschweinjagd auf dem Marienplatz wäre es dann aber natürlich vorbei.

Ost Der Neubau des Innenministeriums am Schlossgarten muss, wie berichtet, wegen Mängeln der Heizung mit einem zusätzlichen Heizaggregat warm gehalten werden. Ein Stuttgarter schlägt jetzt vor, für die Heizung des Gebäudes das relativ reichlich vorhandene warme Abwasser der Mineralbäder zu benutzen. Das könnte nach Meinung des Vorschlagenden viel Geld sparen.