Insgesamt mehr als 200 Vorschläge sind für die Stadtbezirke Degerloch, Birkach, Plieningen und Sillenbuch beim diesjährigen Bürgerhaushalt eingegangen. Viele eingereichte Ideen haben mit dem Straßenverkehr zu tun.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Filder - Geht es nach „nafetsresiak“, heißt die Degerlocher Jahnstraße künftig „Allez SVK Allez-Allee“. Dann würden Ortsfremde das Kickers-Stadion besser finden, so das Argument. Auch wenn er ernst gemeint ist, dieser Vorschlag darf getrost zu einem der launigen im diesjährigen Bürgerhaushalt (weitere Infos dazu am Textende) gezählt werden.

 

Die Umbenennung der Jahnstraße ist eine von insgesamt 70 Ideen, die Bürger in den zurückliegenden drei Wochen für den Stadtbezirk Degerloch abgegeben haben – in wenigen Fällen doppeln sie sich. Die Sillenbucher folgen den Degerlochern mit 68 Vorschlägen dicht, für Birkach gibt es 36 Ideen, für Plieningen sind es 37.

Allen gemein ist, dass Verkehrsthemen die Menschen offensichtlich besonders umtreiben. Seien es Schlaglöcher, Ampeln oder Temporegeln – diesbezüglich sehen die Birkacher, Plieninger, Degerlocher und Sillenbucher Handlungsbedarf. Die schlichte Forderung „Straßen sanieren“ taucht für alle vier Bezirke auf. Ein gemeinsamer Wunsch sind aber auch Ruhebänke, in Birkach in der Ortsmitte, in Sillenbuch an der Kirchheimer Straße und in Degerloch auf dem Neuen Friedhof.

Vorschläge für Degerloch

In Degerloch zählt die Epplestraße zu den Straßen, über die sich die Leute arg ärgern. So geht es in mehreren Vorschlägen um die Hauptstraße. Einer fordert zum Beispiel, dass sie – und die Gomaringer Straße – von der Albstraße an nur noch in eine Richtung befahren werden dürfen, ein anderer ist gleich für ein komplettes Fahrverbot. Wieder ein anderer würde sich mit einer Sperre an den Samstagen zwischen Rubensstraße und Löffelstraße zufriedengeben.

Derweil wird für die Reutlinger Straße ein Tempolimit von 40 Kilometer pro Stunde gefordert. „Überall in Stuttgart wird oder wurde etwas getan zugunsten der Anwohner, nur in der Reutlinger Straße darf weiterhin ungebremst rund um die Uhr gebrettert werden. Geschwindigkeiten von 70 km/h und mehr sind die Regel“, kommentiert „StephanJ“.

Unter den Vorschlägen für Degerloch sind auch einige alte Bekannte, wie zum Beispiel ein Bürgerhaus am Agnes-Kneher-Platz, mehr Fahrradplätze für die Zacke, Hilfe für den Montessori-Kindergarten, der B27-Vollanschluss für das Gewerbegebiet Tränke und der Brandschutz für den Fernsehturm. Es gibt aber auch Überraschungen. So sieht „Frankpaul“ einen bemerkenswerten Zusammenhang zwischen der Leerung des Biomülls und der Einbruchsrate. Oft blieben die Tonnen am Straßenrand stehen, wenn die Besitzer im Urlaub sind, oder aber sie würden erst gar nicht geleert. Das sei eine Einladung für Einbrecher. „Voll-Service bei Biomüll würden sich sehr schnell amortisieren, würden die Kosten, die durch Einbrüche entstehen, gegengerechnet.“

Eine kleine Kommentar-Debatte hat ein Vorschlag von „Ericfan“ ausgelöst. Er oder sie hätte gern 24-Stunden-Kitas in Degerloch und denkt dabei an Krankenhauspersonal und Schichtarbeiter. „Und wie geht’s dabei den Kindern? Schlafen die dann auch in Schichten beziehungsweise werden mitten in der Nacht geweckt?“, fragt „Vaihinger“. Weniger kritisch sieht es „Holly“. Sie schreibt: „Das habe ich letztes Jahr auch schon vorgeschlagen. Leider kam da als Antwort, dass man keine Kinder in die Welt setzen soll, wenn man arbeiten will. Einfach nur frech!“

Vorschläge für Birkach

In Birkach würde sich „sanocki“ bereits über eine normale Kita freuen. Es würden nach wie vor Plätze fehlen. „Durch neue Wohnbaugebiete hat sich die Situation weiter verschlechtert“, heißt es – und wird auch entsprechend zustimmend kommentiert. Unter den drei Dutzend Ideen für Stuttgarts zweitkleinsten Bezirk ist freilich wieder die wetterfeste Feierhalle auf dem Friedhof, die die Birkacher schon seit Langem fordern; jemand anderes wäre froh, wenn die Alfred-Wais-Halle saniert werden würde; wieder ein anderer plädiert für Parkplätze vor dem Geschäftshaus an der Birkheckenstraße 1, in dem unter anderem die Postagentur untergebracht ist.

Die Parkplätze an der Erisdorfer Straße sind Thema dreier Vorschläge. Einer will das Parken in der Kurve an der Ecke Erisdorfer Straße und Dürnauer Weg verbieten, zwei andere hätten gern eine Markierung der Parkplätze an jener Straße.

Diese Autos parken unrechtmäßig an der Birkheckenstraße in Birkach. Foto: Sägesser

Ein eher großer Wunsch ist eine U-Bahn-Anbindung zwischen Birkach und dem Asemwald. Dafür liefert „Ichbindabei“ eine Idee zum Geldsparen. Er oder sie hält die Beleuchtung entlang der Ohnholdstraße außerhalb der Ortschaft für übertrieben. Der Vorschlag ist, jede zweite Straßenlaterne auszuschalten. „Dies würde auch die Lichtverschmutzung im Wald hin zum Birkacher Feld sowie hinüber zu den Wohnungen unterhalb der Ohnholdstraße vermindern“, schreibt „Ichbindabei“.

Vorschläge für Plieningen

Sparideen gibt es für Plieningen nicht. Dafür jede Menge Überlegungen, wofür die Stadt in den nächsten beiden Jahren Geld ausgeben könnte. „nilzzzz“ wünscht sich einen Bauernmarkt mit regionalen Produkten von den Fildern, der Markt könnte seinetwegen wechselweise auch in Birkach aufgebaut werden. Dreimal wird das Hallenbad genannt. „tiaka“ schlägt ein Gartenhallenbad in kalten Sommern vor, für „1219911“ sollte das Hallenbad auch in warmen Sommern einen Ausflug wert sein, „nach dem Motto: drinnen schwimmen, draußen sonnenbaden. Dadurch könnten die Freibäder erheblich entlastet werden“, heißt es. „Larsemann“ wäre dafür, dass das Bad freitags der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und zudem modernisiert wird – unabhängig von der Jahreszeit.

Seniorenheim statt Spielhalle? Eine Idee für Plieningen. Foto: Sägesser

Das Hallenbad ist schon seit Jahren ein Dauerthema im Bezirk. Ebenso wie die gewünschte Mensa und Sporthalle für die Körschtalschule und das Paracelsus-Gymnasium. Daher überrascht es wenig, dass auch diese beiden Neubauten, die die Schulen dringend brauchen, zu den Vorschlägen für den diesjährigen Bürgerhaushalt gehören. Sie wurden gleich viermal ins Spiel gebracht. Ebenfalls zu den Themen, die sich bereits im Vorfeld angekündigt hatten, ist ein Begehr der örtlichen Jugendräte: Die Jugendlichen werben dafür, den Bolzplatz am Hagebuttenweg zu sanieren.

Seit Langem im Gespräch ist der Mangel an Pflegeheimplätzen in Plieningen. „StadtSeniorenRat“ regt an, einen Bauplatz dafür zu suchen. „Der Platz müsste in der Mitte des Dorfes sein, nicht am Rand“, heißt es im Vorschlag. „Wir wär’s, wenn die Stadt die alte Post kaufen würde? Dann hätte man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Man hätte ein Seniorenheim, und das Spielkasino wäre man los!“

Vorschläge für Sillenbuch

Bei den beiden vergangenen Bürgerhaushalten, die es bisher gab, waren es stets Sillenbucher Themen, die es an die Spitze aller Stuttgarter Ideen geschafft haben. Ob das diesmal auch wieder gelingt, wird sich zeigen. Zu den großen Themen, die auf der Vorschlagsliste stehen, gehören das seit Langem gewünschte Bürgerzentrum, eine Stadtteilbücherei, das sanierungsbedürftige Geschwister-Scholl-Gymnasium, der Pendlerverkehr an der Nellinger Straße in Heumaden und das Durchfahrtverbot für Lastwagen in Riedenberg.

Es gibt aber auch neue Themen. So schwebt „Harald F“ eine Mensa für die Birken-Realschule vor. Der aktuelle Zustand sei „unzumutbar“. Als Zumutung erachten manche den Verkehr – beispielsweise auf der Bockelstraße und der Kirchheimer Straße. „Zettelwirtschaft“, „Mathilde“ und „LadyMacbeth“ fordern Tempo 30 für die Bockelstraße. Für die Kirchheimer Straße wurden derweil zwei Temporeduzierungen in den Ring geworfen: auf 30 und 40 Kilometer in der Stunde. Einmal ist das Argument, die Sillenbucher Hauptstraße entwickele sich zusehends zu einer Raserstrecke. Ein andermal geht es um die Anwohner der Kirchheimer Straße, die zum einen Probleme beim Ein- oder Ausfahren auf ihre Grundstücke hätten und zum anderen vom Autolärm genervt seien.

Gewünscht ist eine Temporeduzierung auf der Kirchheimer Straße. Foto: Archiv Käser

Ein paar der Ideen für Sillenbuch kann die Stadt gleich abhaken. Weil sie nicht dafür zuständig ist. Dazu zählt beispielsweise die Anregung eines Bürgers, mehr Polizeipräsenz in Heumaden zu zeigen. „Dadurch könnten Einbrüche in Gebäude verhindert. jugendliche Randalierer abgeschreckt und offensives Betteln von Banden in Heumaden in der Bildäckerstraße nahe dem Parkscheinautomat gestoppt werden“, heißt es. Ebenfalls nicht Sache der Stadt sind die Wünsche nach einer Poststelle am Sillenbucher Markt und besseren Einkaufsmöglichkeiten in Heumaden.

Worauf die Stadt – beziehungsweise der Gemeinderat – hingegen Einfluss hat, ist die Sporthalle in Riedenberg. Diese wünschen sich Schulen und Vereine nicht erst seit gestern. Im Bürgerhaushalt vor zwei Jahren hat sie nach der Bewertungsphase den ersten Platz erreicht. Was mit beeinflusst haben dürfte, dass die Stadt das Projekt vorantreibt. Architekt und Ingenieur sind mit der Planung beauftragt.

Wie es beim Bürgerhaushalt weitergeht:

Am 23. Februar ist die erste Phase des dritten Stuttgarter Bürgerhaushalts zu Ende gegangen. Innerhalb von drei Wochen konnten die Bürger vorschlagen, wofür die Stadt Geld ausgeben soll. Am 10. März beginnt die nächste Phase: Bis zum 30. März können Bürger dann die eingegangenen Vorschläge bewerten. Die 100 Vorschläge, die stadtweit die meisten Stimmen bekommen, werden den Stadträten bei den Etatberatungen vorgelegt. Hinzukommen die jeweils drei am besten bewerteten Anregungen eines jeden Stadtbezirks. Wobei sich die Räte alle Ideen anschauen können. Bewertungen können online, per Brief oder telefonisch abgegeben werden. Weitere Infos unter www.buergerhaushalt-stuttgart.de