Ein Arbeitskreis befasst sich mit der Frage, wie das Konzept des Bürgerhaushalts in Stuttgart verbessert werden kann. Jetzt hat der Kreis Vorschläge gemacht. Einer davon lautet, die Zahl der Eingaben zu reduzieren.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

Stuttgart - Der Bürgerhaushalt“, sagt Heinrich Schneider, „wird von allen Beteiligten als lernendes Verfahren verstanden: den Idealzustand wird es nie erreichen, weil sich die Bedingungen immer verändern.“ Heinrich Schneider ist Sprecher des Arbeitskreises Bürgerhaushalt, also jenes überparteilichen Gremiums, in dem sich interessierte Bürger damit beschäftigen, wie der Bürgerhaushalt abläuft – und was verbessert werden könnte. Der Arbeitskreis hat nun fünf Empfehlungen für den Bürgerhaushalt 2017 erarbeitet.

 

Zunächst soll es eine begleitende wissenschaftliche Evaluation geben, die das Verfahren und den Verlauf analysiert. Damit soll beispielsweise auch geklärt werden, ob die Beteiligung analog zur Wahlbeteiligung verläuft. „Die Beteiligungsquote in den einzelnen Stadtbezirken differiert sehr“, erklärt Heinrich Schneider. Die Filderbezirke haben besonders hohe Beteiligungsquoten, die nördlichen Stadtbezirke eher niedrige, mit der Ausnahme von Weilimdorf. Hier soll die Analyse ansetzen, damit diese Unterschiede bestenfalls ausgeglichen werden können. „Wenn in zwei Jahren eine solche Evaluation gemacht werden soll, muss das jetzt entschieden werden“, so Schneider. Dafür brauche es Kapazitäten, über die der Arbeitskreis nicht verfüge. „Die Auswertung muss kleinteilig auf Stadtteilebene geschehen, nicht auf Stadtbezirksebene“, meint Schneider.

Arbeitskreis schlägt vier Kategorien vor

Eine wichtige Empfehlung ist die Reduzierung der Vorschläge. „Es sind mittlerweile so viele, dass es kaum jemand schafft, alle zu lesen“, sagt Bettina Bunk, Bezirksbeirätin in Stuttgart-Nord und mit Schneider im Arbeitskreis tätig. Noch mehr als bisher sollen darum die Vorschläge in Kategorien sortiert und gegebenenfalls zusammengelegt werden. Der Arbeitskreis schlägt vier Kategorien vor: 1. Nicht in der Zuständigkeit der Stadt, Vorschlag wird weitergeleitet an die Zuständigen, beispielsweise Bund oder Land; 2. Keine Haushaltsangelegenheit, darum Weiterleitung ins Gelbe-Karten-System; 3. Der Vorschlag betrifft ein einzelnes Amt, wo vielleicht schon an der Umsetzung gearbeitet wird, also Weiterleitung an das jeweilige Amt; 4. Eingang ins Bewertungsverfahren. Die „aussortierten“ Vorschläge sollen weiter sichtbar bleiben, aber nicht zur Bewertung stehen. „Dazu braucht die Verwaltung aber mehr Personal“, erklärt Schneider.

Dass die Vorschläge aus dem Bürgerhaushalt nicht verbindlich sind, sondern der Gemeinderat die Entscheidungshoheit hat, sehen Schneider und Bunk nicht als Manko an: Schneider weiß von einer kleinen Gemeinde, die gleich einen eigenen Etat für den Bürgerhaushalt eingerichtet hat. „Dann ist ein lokaler Verein auf Stimmenfang gegangen“, so Schneider – mit dem Ergebnis, dass die gesamte Summe für das Projekt des Vereins verwendet wurde und kein anderes Vorhaben umgesetzt werden konnte. Darum schlägt der Arbeitskreis nicht vor, dass ein eigener Etat für den Bürgerhaushalt eingerichtet wird, sondern dass die Budgets der einzelnen Stadtbezirke erhöht werden, damit kleinere Projekte aus dem Bürgerhaushalt im Bezirk umgesetzt werden könnten, die nicht vom Gemeinderat beraten werden. So sollen auch die Bezirksbeiräte stärker mit dem Bürgerhaushalt verbunden werden.

Außerdem schlägt der Arbeitskreis vor, in jedem Stadtbezirk Bürgerhaushaltsbeauftragte aus dem jeweiligen Bezirksbeirat zu benennen, die innerhalb des Bezirks für den Bürgerhaushalt werben und Diskussionen anregen. Die Stadt soll ebenfalls kontinuierlich zum Thema Bürgerhaushalt informieren – also auch, welche Vorhaben derzeit umgesetzt werden, oder wie der aktuelle Stand bei welchem Projekt ist.

Positive Grundstimmung in Stuttgart

Was gut gelaufen ist bei den bisherigen drei Bürgerhaushalten – der jüngste im Frühjahr 2015 –, kann Heinrich Schneider sofort sagen: „Es gibt eine grundsätzliche positive Grundstimmung hier in Stuttgart“, sagt er. „Sechs Prozent der Bürger haben im Durchschnitt teilgenommen.“ Auch wenn Kritiker diese Zahl negativ auslegten: „Keine andere Stadt hat es geschafft, dass so viele Bürger mitmachen, dass es eine so hohe Steigerung von Mal zu Mal gibt.“ Neben Stuttgart gibt es auch in anderen deutschen Städten das Bürgerhaushaltsverfahren, beispielsweise in Mannheim und Köln. Bettina Bunk weist darauf hin, dass es unterschiedliche Erwartungen an den Bürgerhaushalt gebe: „Es kommt regelmäßig der Vorwurf, das Verfahren sei nicht repräsentativ, die sechs Prozent keine Mehrheit. So ist es ja aber auch gar nicht angelegt.“ Das Ziel sei, dass sich die Bürger stärker mit den Belangen in der Stadt beschäftigten. „Der Bürgerhaushalt ist nur ein Weg von vielen, wie sich Bürger einbringen können.“ Größere Transparenz sei ebenfalls wichtig: „Vor dem Bürgerhaushalt konnte man keine Anträge zum Doppelhaushalt im Netz nachlesen“, sagt Bunk. „Jetzt steht alles online, Anträge der Gemeinderatsfraktionen, Anträge aus dem Bürgerhaushalt, Kommentare der Bezirksbeiräte.“