Bürgerwerkstatt und Bezirksbeirat plädieren bei der Neuordnung des Bürgerhospitalgeländes in Stuttgart-Nord für eine möglichst vielfältige Nutzung des Bettenbaus. Doch die Rathausspitze hält an ihrem Vorhaben fest, dort 120 geförderte Wohnungen zu errichten.

S-Nord - Rund fünf Hektar groß ist das AWS- und Bürgerhospital-Gelände zwischen der Heilbronner Straße und der Gäubahntrasse. 600 Wohnungen sollen in den nächsten 20 Jahren dort entstehen, das Areal neu geordnet werden. An der Entwicklung möchte die Stadtverwaltung auch die Stuttgarter beteiligen: „Die Meinung der Bürger spielt eine wichtige Rolle“, heißt es auf dem städtischen Beteiligungsportal im Internet. Dafür wurde am 23. April dieses Jahres eine Bürgerwerkstatt veranstaltet. Eine Erkenntnis der Veranstaltung war, dass den Bürgern eine vielfältige Nutzung des denkmalgeschützten Bettenbaus wichtig ist: Veranstaltungsräume, Ateliers, Familienzentrum und generationenübergreifendes Wohnen waren einige der Ideen.

 

Rund vier Wochen später erklärte Bürgermeister Michael Föll, die Stadt plane, das frühere Hauptgebäude des Bürgerhospitals „relativ schnell in normalen Wohnraum umzunutzen“. Bis Ende 2019 könnte die städtische Wohnbaugesellschaft SWSG dort 120 geförderte Wohnungen errichten. An diesem Vorschlag hält die Rathausspitze fest, wie das Referat Städtebau und Umwelt nun bestätigt. Negative Effekte für weitere Bürgerbeteiligungen befürchte man nicht, da die Entwicklung der Konzepte in einem Diskurs erfolgt und schlussendlich auch mit anderen Bedürfnissen, wie hier der Erstellung von bezahlbarem Wohnraum, abgestimmt werden müsse. Der Umwelt- und Technikausschuss des Gemeinderats habe dem Plan zugestimmt und so findet der sich auch in der Ausschreibung des städtebaulichen Wettbewerbs wieder, den die Stadt für das Areal ausschreibt. Allein im Garten- und im Erdgeschoss ist künftig neben einer Kita noch eine weitere öffentliche Nutzung denkbar.

Die Hälfte der Wohnungen wäre nach Norden ausgerichtet

„Die Vorgabe ist rigoros falsch“, schimpfte der Nord-Bezirksbeirat Jürgen Klaffke (SÖS/Linke-plus), als Vertreter des Amts für Stadtplanung und Stadterneuerung die Auslobung des Wettbewerbs in dem Gremium vorstellten. „Damit verhunzen Sie das ganze Projekt“, sagte Klaffke. Auch mit Blick auf das benachbarte Coop-Areal werde der Bettenbau als Quartiersanker dringend gebraucht, die geförderten Wohnungen könne man ebenso in umliegenden Gebäuden bauen, meinte Klaffke. Auch der SPD-Bezirksbeirat Sebastian Sage kritisierte die Vorgabe scharf: „Die Vereinbarung des Bürgermeisteramts mit der SWSG ist ganz problematisch“, sagte Sage, selbst Architekt und Stadtplaner. Durch den Zuschnitt des Gebäudes sei die Hälfte der Wohnungen künftig nach Norden hin ausgerichtet, zudem gebe es im obersten Stock schon große Versammlungsräume, die man künftig nutzen könnte, meinte Sage. „Es gibt aus der Bürgerwerkstatt fundierte Vorschläge, was man mit der Hütte machen kann.“

Fraktionsübergreifend stießen die Pläne für den Bettenbau auf Ablehnung bei den Bezirksbeiräten. Auch Anne Kedziora (Freie Wähler) meinte, die Bürger hätten gute Vorschläge erarbeitet; sie schloss sich Sages Kritik an. Ralph Wöhrle (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte, seiner Fraktion bereite das Vorhaben Bauchschmerzen: „Klar brauchen wir sozialen Wohnungsbau, aber wir können die Quartiersentwicklung nicht übers Knie brechen.“ Und Armin Serwani (FDP) stellte ebenfalls klar, dass der Bettenbau natürlich in den Wettbewerb einbezogen werden müsse. Das beschloss der Bezirksbeirat denn auch einstimmig, letztendlich aber vergeblich. Bezirksvorsteherin Sabine Mezger bezweifelt, dass die Stadt sich damit einen Gefallen tut. Infrage stellen will sie den sozialen Wohnungsbau auf dem Gelände keineswegs: „Die Frage ist nur, wie geballt mache ich das.“ Schließlich gebe es auf dem benachbarten Coop-Gelände bereits viele Sozialwohnungen. Auch der Vertreter der aus der Bürgerwerkstatt hervorgegangenen Bürgerbegleitgruppe, Wolf Dieter Dallinger, hätte gern gesehen, dass die Zukunft des Bettenbaus im Wettbewerb offener gehalten wird.

Der städtebauliche Ideenwettbewerb soll dazu beitragen, eine neue Mitte für das Quartier zwischen Gäubahn und Heilbronner Straße zu schaffen. Diese Entwicklung wird aber voraussichtlich erst im Jahr 2035 abgeschlossen sein. Deutlich schneller soll es in der Nachbarschaft gehen: Auf dem rund 13  000 Quadratmeter großen Gelände der einstigen Mercedes-Niederlassung an der Türlenstraße will der Arbeitgeberverband Südwestmetall bis zum Frühjahr 2018 neben Büros und einer Kita auch rund 200 Mietwohnungen errichten.