Menschenrechtskommissarin spricht von Bürgerkrieg - EU verhängt weitere Sanktionen gegen Syrien.

Beirut - Die Zahl der Toten seit Beginn des Aufstands gegen den syrischen Präsidenten Baschar Assad ist nach UN-Aufgaben auf mehr als 4000 angestiegen. UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay sprach am Donnerstag von einem Bürgerkrieg und forderte, die syrische Regierung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit strafrechtlich zu verfolgen. Mit Blick auf die zunehmende Zahl von syrischen Deserteuren, die sich dem Kampf gegen das Assad-Regime anschließen, erklärte Pillay die Gewalt in Syrien zum Bürgerkrieg. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Mark Toner, wies diese Bezeichnung aber zurück. „Der überwältigende Einsatz von Gewalt“ gehe auf Assad und dessen Regierung zurück, sagte Toner vor Reportern. Das Assad-Regime habe für Syrien einen gefährlichen Weg eingeschlagen, erklärte Toner weiter. Es sei nicht verwunderlich, dass die blutige Niederschlagung des seit acht Monaten andauernden Aufstands gegen Assad zu der Reaktion geführt habe, die bei der sogenannten Freien Syrischen Armee zu beobachten sei. Die Freie Syrische Armee besteht aus einer Gruppe von Deserteuren und gilt als bewaffnete Herausforderung für Assad.

 

EU beschließt neue Sanktionen gegen Damaskus

Aufgrund der blutigen Niederschlagung der Protestbewegung erhöhten auch die EU-Außenminister den Druck auf Damaskus. Über das schon bestehende Öl-Embargo hinaus wurden am Donnerstag weitere Maßnahmen gegen den Energie-, Banken- und Handelssektor verhängt. Weitere Regimeangehörige wurden mit Kontensperrungen und Einreiseverboten belegt. Der britische Außenminister William Hague sagte, es gebe eine Verbindung zwischen Teheran und Damaskus. Er gehe davon aus, dass die iranische Regierung den syrischen Präsidenten Baschar Assad bei der Unterdrückung der Bevölkerung unterstütze.

An den Beratungen in Brüssel nahm auch der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al Arabi, teil. Die Liga hatte am Sonntag erstmals Sanktionen gegen das Assad-Regime verhängt. Das sei „eine ganz wichtige Botschaft, dass nicht nur der Westen, sondern auch die Nachbarländer“ gegen die Unterdrückung einschritten, sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). Die EU müsse nun daran arbeiten, ihre Maßnahmen mit denen der Arabischen Liga zu synchronisieren. Die Arabische Liga prüfte unterdessen Einreiseverbote gegen 17 hochrangige Vertreter der Regierung von Assad. Auf der am Mittwoch veröffentlichten Liste der potenziellen Kandidaten stehen unter anderem der syrische Innenminister, der Verteidigungsminister, der Chef des Militärgeheimdienstes sowie Mitarbeiter der Staatssicherheitsbehörden. Am Samstag sollte bei einem Treffen der Liga in Doha über die Umsetzung der Einreiseverbote entschieden werden.

Aktivisten melden sechs Tote in syrischer Provinz

Syrische Regierungstruppen töteten nach Angaben von Aktivisten am Donnerstag mindestens sechs Menschen. Die Soldaten hätten das Dorf Traimse in der Provinz Hama gestürmt, berichteten die Örtlichen Koordinationskomitees, die die Proteste gegen Assad dokumentieren. Das Syrische Observatoriums für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien sprach ebenfalls von sechs Toten. Zudem seien neun weitere Personen in Traimse verletzt worden.

Die syrische Opposition rief für Donnerstag zu einem Generalstreik auf, um syrische Unternehmer dazu zu bringen, ihre langjährigen Verbindungen zum Regime zu kappen. Wie viele Syrer dem Aufruf folgten, war unklar. Das syrische Regime hat ausländischen Medienvertretern den Zugang zum Land verwehrt. Allerdings berichtete ein Bewohner in der Protesthochburg Homs der Nachrichtenagentur AP, dass dort die meisten Läden geschlossen seien. Lediglich Geschäfte, in denen Lebensmittel verkauft würden, hätten geöffnet. Es befänden sich nur wenige Menschen auf den Straßen.