Seit vier Jahren bereichert Christian Gangl mit bayrischen Zungenschlag die Gemeinderatssitzungen. In der Stadt und im Rathaus ist er angekommen. Doch wünscht sich der Finanzbürgermeister konstantere Steuereinnahmen, die langfristige Planungen erlauben.

Sindelfingen - Zurückhaltend ist er und unauffällig. Doch man sollte Christian Gangl nicht unterschätzen. Der Finanzbürgermeister führt maßgeblich die Verhandlungen für die Sindelfinger Stadtverwaltung – zumeist mit gutem Erfolg. Vor vier Jahren trat der Bayer sein Amt in Sindelfingen an. Im Interview zieht er eine Halbzeit-Bilanz.
Herr Gangl, vier Jahren als bayrischer Allgäuer in Schwaben: Wie fühlen Sie sich?
Gut. Ich fühl’ mich wohl. Ich bin gut angekommen, sowohl was das Private als auch was das Berufliche betrifft. Wir konnten uns auch als Familie schnell integrieren und haben Freunde gefunden. Es gibt feste Punkte wie etwa das Joggen am Dienstagmorgen mit den Freunden der Laufgruppe.
Was vermissen Sie aus Ihrer alten Heimat?
Die Berge und die Seen.
Was gefällt Ihnen in Sindelfingen ?
Meine Aufgabe im Rathaus, weil sie ein wahnsinnig breites Spektrum mit vielen interessanten Themen hat. Und mir gefällt, dass man hier im Haus und auch mit dem Gemeinderat gut zusammenarbeiten kann.
War das an Ihrer vorigen Wirkungsstätte in Füssen anders?
Ja, da gab es einen Gemeinderat, der zwar um einiges kleiner als der Sindelfinger ist, aber mit neun oder zehn verschiedenen Wählergruppen. Das war nicht immer sehr homogen. Deshalb habe ich mir vor meiner Bewerbung als Finanzbürgermeister einmal eine Gemeinderatssitzung in Sindelfingen angeschaut. Und mir hat schon damals gefallen, wie konstruktiv hier die Verwaltung und die Fraktionen gemeinsam nach Lösungen suchen.
Finanziell war die Situation in Füssen mit der in Sindelfingen 2010 vergleichbar.
Ich habe durchaus Erfahrungen mit schwierigen Haushaltssituationen mitgebracht. Wegen dauerhaft niedriger Einnahmen musste in Füssen ein sehr stringenter Sanierungskurs gefahren werden. Sindelfingens Etat hingegen ist geprägt von einem ständigen Auf und Ab bei der Gewerbesteuer. Das macht langfristige Planungen schwierig. Kurz bevor ich hier anfing, war die Lage ziemlich schlecht. In 2010 und 2011 hatten wir zwei gute Jahre, doch aktuell geht der Trend wieder nach unten. Bei der Gewerbesteuer könnten wieder Rückzahlungsforderungen auf uns zukommen.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Stadt unabhängiger vom Hauptsteuerzahler Daimler zu machen?
Zunächst ist die rasante Entwicklung Sindelfingens in der Vergangenheit ja zweifellos Daimler zu verdanken. Um nun etwas unabhängiger zu werden, versucht die Stadt durchaus mit Erfolg innovative Unternehmen aus anderen Branchen anzusiedeln. Ich denke aber auch, dass Sindelfingen auch künftig immer eng mit dem Mercedes-Werk verbunden bleiben wird.
In Füssen waren Sie der erste Mann. Hier sind Sie nur der zweite. Wurmt Sie das nicht?
Nein, ich fühle mich wohl in meiner Rolle.
Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Oberbürgermeister Herrn Vöhringer und der Baubürgermeisterin Frau Clemens?
Wir arbeiten innerhalb des Verwaltungsvorstands und auch im gesamten Haus sehr gut zusammen.
Widersprechen Sie auch mal dem OB?
Herr Vöhringer schätzt es durchaus, wenn man andere Positionen vertritt. Wir diskutieren dann darüber und suchen nach einem gemeinsamen Nenner.
Müssen Sie Dinge nach außen vertreten, die Sie ganz anders sehen?
Wir besprechen im Verwaltungsvorstand unsere Themen. Dabei kann jeder seine Position einbringen. Wenn man sich dann aber gemeinsam auf eine Linie geeinigt hat, ist es wichtig, diese auch zu vertreten. Und das hat bisher immer gut geklappt.
Sie gelten als geschickter Verhandler der Stadtverwaltung, egal ob Klinikausstieg, Stadtwerke oder Kauf von Grundstücken. Beschreiben Sie Ihren Verhandlungsstil.
Es geht meist darum zu erkennen, welche Interessen stehen hinter den Positionen der Gegenseite. Und dann muss man versuchen, einen Interessenausgleich zu finden. Wichtig ist, dass keine Seite ihr Gesicht verliert. Ich möchte den Verhandlungspartner wieder treffen und ihm in die Augen schauen können.
Bei Ihrem Amtsantritt hatten Sie versprochen, das Thema Sportstättenkonzeption anzupacken. Zwar ist einiges passiert. Doch jetzt stockt es wieder. Woran hakt es ?
Nun, wir haben das Thema zügig angepackt und bereits 2011 den Grundsatzbeschluss gefasst. In 2012 und 2013 hat die Stadt drei Millionen Euro in die Sportanlagen investiert, nämlich in zwei Kunstrasenplätze und in das Allmendstadion. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem man für die weiteren Maßnahmen erst wieder Baurecht schaffen muss. Wir haben die Bauleitplanung für das Allmendstadion beschlossen und wollten jetzt weitere Schritte gehen, die im Moment zurückgestellt sind, weil wir gerade Kassensturz machen.
Warum?
Zum einen haben sich die Kosten erhöht, zum anderen ist die Haushaltsprognose im Augenblick nicht rosig.
Neue Wünsche sind dazu gekommen?
Auch, aber es gab auch durchaus sinnvolle Umplanungen, zum Beispiel beim Allmendstadion, um den Landverbrauch einzuschränken. Und dann gibt es Maßnahmen wie die Hochspannungsleitung, die verlegt werden müsste, was allein 1,3 Millionen Euro kosten würde. Außerdem haben wir die Freiraumplanung hinzugenommen. Dadurch ergibt sich eine Fläche, die größer ist als das damalige Landesgartenschaugebiet. Da hat der Gemeinderat, ich denke zu Recht, gefordert: Wir wollen einen Gesamtüberblick.
Wie sieht jetzt der Zeitplan aus?
Wir werden das Thema Ende dieses Jahres/Anfang nächsten Jahres in den Gemeinderat einbringen. Bei der Umsetzung kommt es darauf an, was das Gremium beschließt. Aus heutiger Sicht gehe ich von einer Fertigstellung bis 2018 aus.
Bei Ihrem Amtsantritt vor vier Jahren hatten Sie einige Ideen. Zum Beispiel die, eine Hochschule für Erzieher in Sindelfingen anzusiedeln. Was ist daraus geworden?
Das haben wir bei den zuständigen Stellen eingebracht, aber nichts gehört. Momentan ist die Idee in den Hintergrund gerückt.
Aber Erziehrinnen fehlen doch überall, auch in Sindelfingen.
Die Gewinnung von neuen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist tatsächlich nicht einfach, aber wir haben alle unsere Stellen besetzt – ich denke dank der verbesserten Rahmenbedingungen für die Erzieherinnen, die wir geschaffen haben, wie mehr Vorbereitungszeit und Fortbildungen.
Die Stadträte schätzen Ihre Arbeit. Allerdings könnten Sie etwas mutiger und innovativer sein, sagen einige.
Ich denke, wir sind in vielen Bereichen vorne mit dabei, zum Beispiel bei der Schulentwicklung. Da gehörten wir bei den Gemeinschaftsschulen den Ersten im Land. Mit unserer Projektgruppe für die Schulentwicklung sind wir am Puls des Geschehens und können rasch reagieren. Bei den Zuschüssen für das Schulessen haben wir einen innovativen Ansatz zur Berechnung gewählt. Und wenn Sie sich das Kulturleben anschauen, da stehen wir nicht schlecht da. Denken Sie an das Jubiläumsjahr. Ich halte uns also durchaus für kreativ und bin für neue Ideen stets offen.
Was sagen Sie zum grundsätzlichen Vorwurf, die Stadtverwaltung sei bei vielen Prozessen langsam, zum Beispiel aktuell bei der Flüchtlingsfrage?
Zum Thema Flüchtlinge werden in Kürze Entscheidungen getroffen. Und auch in anderen Bereichen wird zumeist schnell reagiert. So konnten wir mit einem guten Team etwa innerhalb von 15 Monaten nach meinem Amtsantritt das neue Haushaltsrecht einführen. Das Sportstättenkonzept wurde zügig angepackt. Der Kita-Ausbau wird energisch vorangetrieben.
Wie haben Sie als ein von außen Kommender das Jubiläum erlebt?
Als ich da am Jubiläumswochenende auf dem Marktplatz stand und Sindolfs Traum angeschaut habe, war ich stolz, ein Mitarbeiter und Bürger dieser Stadt zu sein. Das Jubiläum hat sehr stark zu meiner Identifikation mit Sindelfingen beigetragen.
Was wünschen Sie sich für die Stadt?
Dass wir es schaffen, halbwegs konstante Steuereinnahmen auf angemessenem Niveau zu erzielen, damit wir längerfristig planen können.
Und was wünschen Sie sich für sich?
Dass ich noch möglichst lange in und für Sindelfingen arbeiten kann.
Als Finanzbürgermeister? Oder vielleicht doch als OB?
Nein, Oberbürgermeister will ich nicht werden. Wenn ich den Terminkalender von Herrn Vöhringer sehe und mit meinem vergleiche, dann bin ich froh, dass ich aus meiner Sicht das richtige Maß zwischen Verantwortung für die Stadt und Zeit für mich und meine Familie habe. Ich bin so vollkommen zufrieden.