Die Bürgerschaftswahl in Bremen hat einige Überraschungen gebracht. SPD und Grüne müssen mit Sorge, die FDP darf mit Freude auf das Ergebnis schauen, kommentiert Rainer Pörtner.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Stuttgart - Der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen ist ein besonderes politisches Phänomen. Bereits vor der Wahl am Sonntag war der Sozialdemokrat mit zehn Dienstjahren der am längsten amtierende Regierungschef eines Bundeslandes. Nun haben ihm die Wähler den Auftrag gegeben, weitere vier Jahre zu regieren.

 

Das Spezifische am Politikertypus Böhrnsen ist, dass er in den bisherigen zehn Jahren so unauffällig agiert hat, dass ihn jenseits der Grenzen des Zwei-Städte-Landes kaum jemand kennt – und nichts spricht dafür, dass Böhrnsen die Absicht hätte, dies zu ändern. Gleichzeitig hat er es mit seinem ruhigen, ganz auf lokale Interessen und Ambitionen ausgerichteten Führungsstil zu einer außerordentlichen Beliebtheit bei den Bürgern Bremens und Bremerhavens gebracht. Das schwache Abschneiden der Sozialdemokraten am Sonntag resultiert möglicherweise gerade daraus, dass die allermeisten Bremer von einem sicheren Sieg Böhrnsens ausgingen – und deshalb viele den persönlichen Gang zur Wahlurne als entbehrlich erachteten.

Nicht nur die Sozialdemokraten, auch die Grünen sind geschrumpft. Ihr ungewöhnlicher Erfolg vor vier Jahren war ganz offensichtlich auch der Tatsache geschuldet, dass kurz zuvor die Atomanlage Fukushima außer Kontrolle geraten war. Die baden-württembergischen Grünen werden diesen Jo-Jo-Effekt mit einem gewissen Bauchgrummeln beobachten, war doch die Wahl im Südwesten 2011 ebenfalls kurz nach dem Fukushima-Unfall. Wird es ihnen also bei der Landtagswahl 2016 ähnlich ergehen wie den Bremer Grünen?

Neben der unerwarteten Zitterpartie für Rot-Grün bewegte an diesem Wahlabend vor allem die Frage, ob denn die Kleinparteien FDP und Alternative für Deutschland in die Bremer Bürgerschaft einziehen können.

Die Bremer AfD ist im Vergleich mit anderen Landesverbänden halbwegs stabil und nicht von innerparteilichen Streitigkeiten zerrissen. Ihr Spitzenkandidat Christian Schäfer steht für den wirtschaftsliberalen Flügel der Partei, den Bundeschef Bernd Lucke anführt. Nationalistische, ausländerfeindliche Töne sind Schäfers Sache nicht. Dass er sich mit diesem Kurs wacker geschlagen hat, sollte den Lucke-Flügel in der AfD stärken.

Die größte Zufriedenheit erzeugt das Wahlergebnis jedoch bei der FDP. Ihr gewagter Versuch hat sich ausgezahlt, mit der jungen, parteilosen Unternehmerin Lencke Steiner einen Wahlkampf zu führen, der stark auf Effekte angelegt war. Nach Hamburg sind die Liberalen nun in ein weiteres Landesparlament eingezogen. Dem Bundesvorsitzenden Christian Lindner wie der ganzen Partei wird dies Auftrieb geben.

Die vielfach prognostizierte Verflüchtigung der FDP aus dem parteipolitischen Spektrum ist also doch abwendbar: Das ist die Botschaft von Bremen – ohne dass sich allerdings aus diesem lokalen Ereignis tiefere Erkenntnisse über die künftige Positionierung der Liberalen auf Bundesebene ableiten ließen.