Der heute 63-jährige Wolfgang Schön war der erste Kinderkrankenpfleger in Baden-Württemberg, jetzt ist er im Ruhestand. In der Bürgersprechstunde erzählt er von Müttern, Mannsweibern und Morbus Mediterranee.

Reportage: Akiko Lachenmann (alm)
Stuttgart – - Die kleinen Rambos in Stuttgart kennen ihn. „Hallo, Gipser“, rufen Dreikäsehochs respektvoll, wenn sie Wolfgang Schön auf der Straße begegnen. Der 63-jährige Schwabe – gemütliches Bäuchlein, verschmitzte Augen – hat im Olgäle jahrzehntelang kleine Arme und Beine in Gips gelegt, bevor er Anfang Juni in Rente ging. Er war, als er anfing, der erste männliche Kinderkrankenpfleger in Baden-Württemberg und hat während seiner Laufbahn so manch Kurioses erlebt.
Herr Schön, erzählen Sie uns Ihre Geschichte.
Ich bin ein blütenreiner Stuttgarter, geboren im Sommerrain, aufgewachsen in Büsnau, heute wohnhaft im Westen. Die Rollenverteilung in meinem Elternhaus war klassisch – der Vater in einem technischen Beruf, die Mutter Hausfrau, die Tochter lernte Erzieherin. Nur der Sohn fiel aus der Reihe. Ich habe zwar Werkzeugmacher gelernt, aber ich konnte die Akkordarbeit nicht leiden, die damals Anfang der siebziger Jahre überall eingeführt wurde. Also beschloss ich, auf die Krankenpflege umzusatteln. Ich kam da nur drauf, weil ich bei der Bundeswehr sehr gern als Sanitäter gearbeitet hatte. Dass ich dann im Stuttgarter Olgäle als Kinderkrankenpfleger anfing, lag an den begeisterten Diakonissen. Ein Mann in ihren Reihen, dazu aus einem technischen Beruf – die alte Oberschwester Johanna war völlig hingerissen.
Sie waren der erste Mann in Baden-Württemberg, der sich zum Kinderkrankenpfleger ausbilden ließ. Fühlten Sie sich damals nicht wie ein Sonderling?
Nein, die Zeit stand noch unter dem Eindruck der 68er-Bewegung. Soziale Berufe waren en vogue. Es gab nur ein paar formelle Hürden: Das für die Ausbildung obligatorische Haushaltspraktikum, bei dem die Schwestern in kinderreiche Familie gehen, kam für mich nicht in Frage. Stattdessen musste ich ein halbes Jahr von Station zu Station wandern und alle möglichen Hilfsjobs machen – Betten beziehen, Babys füttern, Fläschchen spülen, das volle Programm eben. Meinetwegen wurde auch die Brustpflege bei den Wöchnerinnen aus der Ausbildung genommen und das Kinderkrankenpflegegesetz entsprechend geändert.
Welche Erfahrungen haben Sie mit weiblichen Vorgesetzten gemacht?
Es gibt garstige Mannsweiber in dem Metier. Aber ich bin davon weitgehend verschont geblieben. Das habe ich vor allem meinem damaligen Chef zu verdanken, Professor Parsch, der stets freundlich blieb. Sein feiner Führungsstil wirkte sich auch auf alle Ebenen darunter aus.
Wie haben Sie die Mittagspausen verbracht, so ganz ohne männliche Kollegen?
Es gibt kein Frauenthema, das an mir vorbeiging und zu dem ich mir keine Meinung bilden durfte. Im Ernst: ich war im Olgäle gern der Hahn im Korb. Dort habe ich übrigens auch meine heutige Frau kennengelernt.
Wurden Ihnen andere Aufgaben zugetragen als Ihren weiblichen Kolleginnen?
Klar. Immer wenn’s heikel wurde, hieß es, nun muss der Wolfgang ran. Wir hatten mal einen herzkranken Jungen bei uns, der bei jeder kleinsten Aufregung sofort tiefblau anlief. Und der wollte nicht essen. Lieber spielte er mit seinen Baumaschinen. Mit ihm sollte ich immer gemeinsam Mittagessen. Ich leerte also die Suppe in den Lastwagen, fuhr damit zum Bagger, schüttete sie um, von dort wanderte sie dann über ein Förderband direkt in seinen Mund. Danach musste ich zwar stundenlang Baufahrzeuge waschen, aber gegessen hat er.