Seit drei Jahren lebt die alleinerziehende Mutter Nadine Kollberg von Hartz IV. Im Gespräch erzählt sie, wie sie sich in dieser Zeit veränderte und welche Erfahrungen sie auf den Ämtern machte.

Region: Verena Mayer (ena)
Leinfelden-Echterdingen – - Den Tisch, auf dem Hefekranz und Tee bereitstehen, hat Nadine Kolberg selbst gezimmert. Ebenso das Regal im Wohnzimmer, das Stockbett im Kinderzimmer und vieles andere in der Dreizimmerwohnung in Leinfelden-Echterdingen. Sieht toll aus und ist – ein sehr willkommener Nebeneffekt – günstig. Seit sich Nadine Kolberg vor drei Jahren vom Vater ihrer Kinder getrennt hat, lebt sie von Hartz IV. Im Gespräch erzählt sie, wie sie sich in dieser Zeit veränderte und was sie auf den Ämtern erlebt hat.
Frau Kolberg, erzählen Sie Ihre Geschichte!
Ich bin 34 Jahre alt und habe zwei Kinder. Sofia ist fünf, Henri ist zwei. Ihr Vater und ich waren 15 Jahre ein Paar. Wir haben uns in der Schule kennengelernt und wollten beide das haben, was man als Bilderbuchfamilie bezeichnet: Vater, Mutter und zwei Kinder. Wir waren lange Zeit glücklich. Doch dann merkte ich, dass etwas nicht mehr stimmte. Erst wollte ich die Zeichen nicht sehen, aber irgendwann konnte ich es nicht mehr leugnen: Mein Freund war spielsüchtig geworden. Als ich mit Henri im dritten Monat schwanger war, habe ich mich getrennt.
Von heute auf morgen?
Naja, das war schon ein langer Prozess. Ich hatte mich bei verschiedenen Einrichtungen beraten lassen. Und eines Tages hat es bei mir Klick gemacht. Mir ist klar geworden, dass ich nicht bei ihm bleiben kann. Er hat unser Geld verspielt. Und ich musste ja auch die Kinder schützen. Als ich das kapiert hatte, packte ich all seine Sachen und warf ihn raus. Das klingt hart, das war es auch. Ich hatte immer gedacht, ich kenne diesen Menschen, aber plötzlich war er für mich ein Fremder.
Haben Sie sich viele Gedanken darüber gemacht, wie es sein würde als Alleinerziehende?
Nein. Ich war zunächst völlig aus meinem gewohnten Leben gerissen. Ich musste erst mal gucken, dass ich die offenen Mieten bezahle und alle anderen Ausstände bereinige. Seit ich mit 16 meine Ausbildung gemacht hatte, habe ich immer Geld verdient, nie war mein Konto überzogen. Da bin ich ziemlich spießig – oder war’s zumindest. Ich hätte mir nie träumen lassen, mal aufs Amt zu müssen, um nach Geld zu fragen.
Wie sieht Ihr Leben heute aus?
Momentan bin ich in Elternzeit und deshalb das, was das Amt „nicht vermittelbar“ nennt. Ich lebe von Hartz IV. Zusammen mit dem Kindergeld und dem Unterhaltsvorschuss habe ich im Monat 1700 Euro. Im April, wenn Henri drei ist, arbeite ich wieder regulär bei der Firma Breuninger, wo ich auch meine Ausbildung als Gestalterin für visuelles Marketing gemacht habe. Ich will mit möglichst vielen Stunden einsteigen, deshalb habe ich vor Kurzem schon in Teilzeit angefangen, mit viereinhalb Stunden am Tag. So kann ich bis April herausfinden, ob mehr Stunden realistisch sind. Das wäre mir sehr recht.
Das Geld, das Sie nun verdienen, wird mit Ihrer Hartz-IV-Leistung verrechnet. Das heißt, Sie haben nicht mehr Geld, aber mehr Stress. Haben Sie mal überlegt, lieber nicht mehr zu arbeiten?
Nein, das ist für mich keine Option. Ich will uns auf jeden Fall wieder selbst finanzieren. Auch wenn ich momentan noch nicht so genau weiß, wie. Und ich will meinen Kindern vorleben, dass man arbeiten gehen muss, um zu leben. Außerdem macht mir die Arbeit auch Spaß. Ich will nicht nur Mutter sein. Mutter sein ist toll, aber dafür kriegt man keine Anerkennung.