Die 26-jährige Mona K. hat auf dem Cannstatter Wasen als Souvenirverkäuferin gearbeitet. Und erlebt, wie aus Männern triebgesteuerte Wesen werden, die sich nicht mehr im Griff haben.

Reportage: Frank Buchmeier (buc)
Stuttgart – - Mona K. wohnt oberhalb des Marienplatzes, dem Stuttgarter Hipster-Hotspot, in einer Dreier-WG. Zum Wintersemester will sie ein Soziologiestudium beginnen. Bevor sie sich wissenschaftlich mit dem Verhalten von Menschen beschäftigt, hat sie im vergangenen Herbst auf dem Cannstatter Volksfest praktische Erfahrungen gesammelt. Darüber will sie sprechen.
Frau K., erzählen Sie Ihre Geschichte!
Ich bin 26 Jahre alt und komme aus Heilbronn. 2010 bin ich nach Stuttgart gezogen. Momentan arbeite ich zur Hälfte als Erzieherin in einem Kinderhort in Bad Cannstatt und zur Hälfte als Bedienung im Café Holzapfel in der Fluxus-Passage. Im vergangenen Sommer habe ich am Kolping-Kolleg in der Rosensteinstraße das Abitur nachgeholt. Anschließend wollte ich studieren, konnte mich aber für kein Fach entscheiden. Also dachte ich, dass ich noch ein Jahr lang in Ruhe überlege, was ich machen will. Weil ich knapp bei Kasse war, musste ich mir nach dem Abi schnell einen Job suchen, bei dem ich in kurzer Zeit gutes Geld verdienen kann. Durch den Tipp einer Bekannten bin ich in der Internet-Jobbörse des Cannstatter Volksfests gelandet. Ich heuerte bei einem Souvenirhändler als Verkäuferin in einem Bierzelt an und erlitt einen Kulturschock.
Was hat Sie derart erschüttert?
Am schlimmsten war die Anmache durch besoffene Festzeltbesucher. Da kamen Sprüche von „Du bist so hübsch!“ und „Gibst du mir deine Handynummer“ bis zu „Was kostest du?“ und „Wollen wir ficken?“ Solche Sachen lallten junge Typen an mich ran, aber auch Männer, die mein Vater oder sogar mein Großvater sein könnten. Ich kapiere nicht, wie man einer Souvenirverkäuferin ein sexuelles Arrangement vorschlagen kann.
Wurden Sie auch körperlich bedrängt?
Leider ja. Zu späterer Stunde hatte ich immer die DNA von verschiedenen Männern in meinem Gesicht und meinem Dekolleté, auch in den Schritt wurde mir gefasst. Manchen Kuss- und Grapschattacken konnte ich ausweichen, manchen nicht, weil das Bierzelt einfach zu voll war. Es war unmöglich, die Männer, die mich belästigt haben, zur Rechenschaft zu ziehen: Wenn sich 6000 Menschen auf einem begrenzten Raum drängen, herrscht zwangsläufig Chaos, und das nutzen solche Kerle eben schamlos aus.
Haben Sie eine Erklärung dafür, warum sich manche Männer derart danebenbenehmen?
Nach drei Litern Bier sinkt bei denen die Hemmschwelle ins Bodenlose. Es ist schon erschreckend, dass diese ekelhafte Anmache in aller Öffentlichkeit möglich ist und es offenbar niemanden juckt. Die Männer, die sich so aufführen, machen das ja sicherlich öfters auf Festivitäten dieser Art. Und das sind nicht, wie an Silvester in Köln der Fall gewesen sein soll, nordafrikanische Flüchtlinge, sondern schwäbische Familienväter, die im Alltag in der Böblinger Kreissparkasse, bei Bosch, Daimler oder so schaffen. Sogar die 18-jährigen Abiturienten verhalten sich nicht besser. Das zeigt doch, dass der Sexismus in Deutschland noch immer nicht ausgestorben ist. Mich macht das wütend.
Wie verhalten sich die Bierzelt-Besucherinnen?
Emanzipation existiert dort nicht. Horden von Frauen grölen Lieder mit, in denen sie auf übelste Weise zu Sexualobjekten degradiert werden, etwa den schrecklichen Mega- Wasenhit „Blasen auf dem Rasen“. Hinzu kommt, dass mich die weiblichen Gäste häufig von oben herab behandelt haben, geradezu stutenbissig. Andererseits haben Frauen häufig mehr gekauft, wenn sie einen gewissen Alkoholpegel erreicht hatten. Unterm Strich habe ich jedenfalls an meinen Geschlechtsgenossinnen besser verdient als an der männlichen Kundschaft. Wobei ich sagen muss, dass es keinen typischen Souvenirkäufer und keine typische Souvenirkäuferin gibt: Quer durch jede Altersklasse und jede Gesellschaftsschicht gibt es Leute, die dieses Zeug kaufen.