Sie waren 55 Jahre zusammen – bis der Tod sie trennte. Eugen Schwarz aus Stuttgart erzählt von seiner Frau Karin und von den Dingen, die sie für immer verbinden werden.

Reportage: Frank Buchmeier (buc)
Stuttgart - – Ein Stuttgarter Traumhaus in Halbhöhenlage. Eugen Schwarz, 75, bietet dem Gast ein schattiges Plätzchen im Garten an. Der Blick fällt auf Fenchelzweige, die seine Frau einst in einem Gedicht als „stark und zart, schön in jedem Kleid der Jahreszeiten“ beschrieben hat. Seit einem guten Jahr lebt Karin Schwarz nicht mehr. Ihr Mann will erzählen, welche Lücke sie hinterlassen hat.
Herr Schwarz, erzählen Sie Ihre Geschichte!
Karin und ich begegneten uns zum ersten Mal in der Schülertanzstunde beim Dieterle in der Wolframstraße. Siebzehn und achtzehn waren wir damals, ich war in Untertürkheim am Gymnasium, sie in Zuffenhausen. Ein Jahr später sind wir uns zufällig wieder über den Weg gelaufen und haben uns unsterblich ineinander verliebt. Nach dem Abitur begann ich eine Stuckateurlehre im elterlichen Betrieb, den ich später übernehmen sollte. Karin wollte eigentlich in Berlin Grafik studieren, doch die Liebe war größer: Sie gab ihren Studienplatz auf. 1963 heirateten wir und blieben zusammen, bis uns im vergangenen Sommer der Tod schied.
Kam das plötzlich?
Nein. Neun Jahre zuvor hatte meine Frau die Diagnose „Chronisch lymphatische Leukämie“ bekommen. Von 2009 an bekam sie regelmäßig Chemotherapien, die die Krankheit zwar in Schach hielten, aber das Immunsystem zerstörten. Wir fühlten uns manchmal unzureichend informiert. Das änderte sich, als wir zum Onkologen Michael Geißler nach Esslingen gingen. Professor Geißler ist ein super Arzt! Er fand immer Zeit, um mit uns zu schwätzen, und zwar so, dass wir als medizinische Laien alles verstanden. Diese offenen Gespräche haben uns geholfen. Aber letztendlich musste mir Doktor Geißler kurz vor Pfingsten 2014 mitteilen, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft waren. „Ich habe als Mediziner wieder einmal verloren“, sagte er. Meine Frau ist in einen Tiefschlaf gefallen und nicht mehr aufgewacht.
Wie haben Sie diesen Verlust verkraftet?
Zwei Tage nach ihrem Tod hatte ich ein Schlägle – wohl eine Folge des Stresses. Glücklicherweise waren meine beiden Töchter gerade bei mir und konnten sofort meinen Hausarzt holen. Er gab mir Spritzen, und ich kam für drei Tage in die Klinik. Nachdem ich entlassen worden war, habe ich mit meiner Tochter und meinem Enkel den Sarg meiner Frau bemalt.
Wer hatte diese ungewöhnliche Idee?
Meine Frau. Wir hatten ihre Bestattung detailliert durchgesprochen. Sie wollte eine schlichte Holzkiste, einen sogenannten Papstsarg, dem wir unsere persönliche künstlerische Note verleihen sollten. Karin war eben kein Nullachtfünfzehn-Typ, sondern ein unkonventioneller Mensch. Sie wünschte sich auch, dass bei ihrer Trauerfeier niemand schwarze Kleidung tragen soll. Zudem wollte sie, dass ihr Körper in unserem Haus aufgebahrt wird, damit ihre engsten Freunde dort von ihr Abschied nehmen können, wo sie ihr zu Lebzeiten begegnet sind.
Verlief die Trauerfeier schließlich so, wie es sich Ihre Frau gewünscht hatte?
Neben dem, was wir geplant hatten, kam es zu wundervollen Zufällen. Die bestellten Musiker waren statt in die Hedelfinger Kreuzkirche in die Heslacher Kreuzkirche gefahren. Daraufhin bat der Pfarrer meinen 17-jährigen Enkel, zum Auftakt etwas auf dem Klavier zu spielen. Daniel interpretierte einen modernen Popsong, den einzigen, den er überhaupt richtig beherrscht. Und dann der bunte Sarg! So etwas hatte es in Hedelfingen noch nie gegeben. Nach der Beerdigung trafen sich die rund 200 Trauergäste bei strahlendem Sonnenschein zum Leichenschmaus hier in unserem Garten. Es gab Gulasch, einen Hefekranz und viele gute Gespräche über Karin. Als gegen halb fünf die Letzten gegangen waren, setzte plötzlich ein Donnerwetter ein. Alles erschien mir so, als hätte meine Frau von ihrer Wolke aus Regie geführt.