Die 17-jährige Anita Rafuna aus Stuttgart-Freiberg hat mit Hilfe der Musik ein seelisches Tief überwunden: Folge 21 der StZ-Gesprächsreihe „Bürgersprechstunde“.

Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Stuttgart - Anita Rafuna wohnt mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrem Bruder in einem Hochhaus in Stuttgart-Freiberg. Für das Gespräch hat sie den Großen Musiksaal des Schulzentrums reserviert, hier probt sie normalerweise mit ihrer Band. Die 17-jährige Gymnasiastin will erzählen, wie sie es geschafft hat, aus einer Krise gestärkt hervorzugehen – und wie sie sich ihre Zukunft vorstellt.

 
Anita Rafuna, erzähle deine Geschichte!
Ich stamme aus einer kosovarischen Familie. Meine Eltern haben sich mit Anfang 20 an der Universität im Kosovo kennengelernt. Während des Studiums, Mitte der 90er Jahre, sind sie wegen des Bürgerkriegs nach Deutschland geflohen. Meine beiden Geschwister und ich wurden hier in Stuttgart geboren. Meine Kindheit war unbeschwert – bis sich meine Eltern vor sechs Jahren trennten. Damit begann für mich eine schwierige Zeit. Die Scheidung habe ich anfangs auch auf mich selbst bezogen. Hinzu kam, dass mich Kommentare der Gleichaltrigen wie „Du hast voll die Hühnerbrust“ oder „Deine Stirn ist so hoch, dass ein Flugzeug darauf landen könnte“ verletzten. Ich fand mich daraufhin wirklich hässlich, habe mich für mein Aussehen regelrecht geschämt und dachte, dass ich zu überhaupt nichts fähig bin. Diese Gedanken zogen mich runter, es ging mir echt mies. Ich bin abgestürzt.
Wie hast du aus diesem Tief herausgefunden?
Vor allem habe ich das meinem Musiklehrer zu verdanken: Er erkannte mein Talent, gab mir eine Hauptrolle in unserem Schulmusical „Just Stars“ und brachte mich danach auch in unserer Schulband unter. Seit ich regelmäßig als Sängerin auftrete, fällt es mir leichter, auf Leute zuzugehen. Wenn man für etwas, das man gerne tut, Applaus bekommt, entwickelt man mehr Selbstvertrauen. Ich akzeptiere mich jetzt so, wie ich bin. Es hat einige Zeit gebraucht, bis ich zu dieser Stärke gefunden habe. Das Singen hat mir dabei sehr geholfen.
Du interpretierst überwiegend ältere Songs, etwa von der 90er-Jahre-Grunge-Band Hole oder der Country-Sängerin Dolly Parton. Magst du moderne Popmusik nicht?
Mir gefällt generell der aktuelle Mainstream nicht, dieser Nullachtfünfzehn-Elektro-Sound. Die Sachen von früher haben meistens viel schönere Melodien.
Würdest du in eine Fernseh-Castingshow gehen?
Ich war dieses Jahr beim Vorentscheid zu „The Voice of Germany“ im SI-Centrum dabei. Die ersten drei Ausscheidungsrunden habe ich überstanden. Am Ende waren wir nur noch zu viert, und ich habe „Gimme Shelter“ von den Rolling Stones gesungen. Die Juroren haben gesagt: „Wir mögen den Song, deine Stimme und deinen Style. Komm im nächsten Jahr wieder zum Casting, dann wirst du dich gesanglich noch weiterentwickelt haben.“ Das Angebot werde ich annehmen, auch wenn ich mir „The Voice of Germany“ und all die anderen Castingshows selbst gar nicht mehr anschaue. Ich glaube, die Programmmacher wollen vor allem die Zuschauer unterhalten, um Talentförderung geht es ihnen weniger. Außerdem habe ich den Eindruck, dass man die Teilnehmer nicht so lässt, wie sie sind, sondern ihnen eine bestimmte Persönlichkeit aufzwingt. Ich würde mich aber bestimmt nicht verbiegen lassen, nur um ins Fernsehen zu kommen.