Seit 2013 veranstaltet der Infoladen gemeinsam mit der Bahn und der städtischen Bürgerbeauftragten einen Bürgerstammtisch. Dieser befasst sich mit den Auswirkungen von Stuttgart 21 auf die Bewohner des Bezirks Nord. Nicht alle zeigen sich zufrieden mit den Resultaten.

Filderzeitung: Rebecca Anna Fritzsche (fri)

S-Nord - I
m September 2013 hat Jupp Klegraf zum ersten Mal eingeladen: zum Stammtisch des Infoladens, mit Vertretern der Bahn und mit Anwohnern und Nachbarn des Nordbahnhofs und des Bereichs Auf der Prag. Thema sollten die Stuttgart-21-Baustellen im Bezirk Nord sein, der hier stärker belastet ist als viele andere Stadtbezirke. Die Prämisse war denkbar einfach: Die Anwohner sollten die Möglichkeit haben, Beschwerden und Vorschläge loszuwerden. Die Bahn sollte darauf direkt reagieren können sowie kurzfristige Neuerungen im Baustellenablauf mitteilen können.

 

„Ich habe den Eindruck, viele Leute nutzen diese Gelegenheit“, sagt Jupp Klegraf heute. „Die Aktualität der Informationen beim Stammtisch wird als sehr positiv empfunden.“ Entstanden ist die Idee des Stammtisches aus der Informationsveranstaltung zu Stuttgart 21 im Bezirk Nord im April 2013, die Bahn und Stadt gemeinsam veranstaltet hatten. Damals sind viele Fragen offengeblieben, viele Details ungeklärt – und Klegraf dachte sich, dass es eine Möglichkeit geben müsste, hier nachzufassen.

Der Verein Infoladen Stuttgart 21 auf der Prag, dessen Vorsitzender er ist, existiert seit 1998. Klegraf hat es sich zur Aufgabe gemacht, neutral über S 21 zu informieren – und über die Auswirkungen, die das Bauprojekt auf den Bezirk Nord haben wird. Im Gespräch mit der Bahn habe sich dann die Idee des Stammtisches entwickelt, erinnert sich Klegraf. Dabei mochte er ursprünglich den Begriff Stammtisch gar nicht – klang er doch viel zu sehr nach hemdsärmeligen Gesprächen in Bierlaune. „Darum geht es uns ja nicht“, sagt Klegraf.

Lastwagen, Emissionen, Schallschutz

Stattdessen wurde in den alle zwei Monate stattfindenden Treffen über die Logistikstraße gesprochen, die C-2-Fläche, die Emissionen, Immissionen und Grenzwerte, über Lastwagenfahrten im Wohngebiet, Tunnelarbeiten und Schallschutzfenster. Mit dabei ist auch Alice Kaiser, die Bürgerbeauftragte der Stadt zu Stuttgart 21. Kaiser sagt: „Wer im Bereich des Inneren Nordbahnhofs, des Wartbergs und Dornbuschs lebt, soll während der Bauzeit von Stuttgart 21 mit den Verantwortlichen ins Gespräch kommen. Anwohner sollen zudem regelmäßig über die aktuellen Baumaßnahmen informiert werden. Außerdem bringen die Anwohner ja auch Ideen ein, wie die Beeinträchtigungen zu minimieren wären.“ Wichtig ist ihr auch, so Kaiser, „dass auch kritische Fragen thematisiert werden. Nur so entsteht ein Austausch.“ Und das Angebot komme an: „In den vergangen beiden Jahren haben stets viele Bürger an den Stammtischrunden teilgenommen.“

„Man merkt oft, dass die Bahn eine Riesen-Institution mit vielen Entscheidungsebenen ist“, sagt Jupp Klegraf. „Alles geht sehr langsam.“ Besonders auffällig sei dies bei der Schranke, die an den Gleisen auf der C-2-Fläche eingerichtet werden soll. Seit über einem Jahr wird die Schranke von den Stammtisch-Besuchern immer wieder erwähnt, die technischen Einrichtungen sind vorhanden. In Betrieb ist sie nicht. Außerdem kritisiert Klegraf: „Die Bahn hat sich noch nicht bemüht, die ganze Logistik aufzuarbeiten.“ Es sei zwar alles geplant und genehmigt, was fehlt, sei aber, „welche konkreten Folgen das für die Öffentlichkeit hat.“ Hier sieht Klegraf den Stammtisch als Möglichkeit, dem Anliegen Gehör zu verschaffen.

Bahn ist zufrieden mit der Zusammenarbeit

Die Bahn zeigt sich „sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit mit Herrn Klegraf“, so sagt es Florian Bitzer, Leiter Projektbeteiligte/Umwelt beim Bahnprojekt. „Insbesondere schätzen wir, dass er nah am Puls der Bürger ist.“ So könnten Anliegen „lösungsorientiert“ bearbeitet werden.

Eine „Showveranstaltung“, so bezeichnet Hans-Jörg Jäkel von der Gruppe Nordlichter den Stammtisch dagegen. Die Bahn müsse viel konkreter sagen, welche Bauarbeiten wann passieren oder warum bestimmte Abläufe nicht so funktionierten, wie geplant. „Oft wissen die Anwohner besser Bescheid als die Vertreter der Bahn beim Stammtisch.“ Jäkel gibt aber zu: „Wenn man nicht zum Stammtisch kommt, hat man keine Möglichkeit, direkt mit den Bahnvertretern zu sprechen.“ Der Bahn auf den Zahn zu fühlen, das sei ein wichtiger Aspekt des Stammtisches. „Die Baulogistik existiert in ihrer jetzigen Form, weil wir hartnäckig nachgefragt haben, was die Lastwagen im Wohngebiet angeht.“ Laut Heidemarie Hug, ebenfalls von den Nordlichtern, hat der Stammtisch zur besseren Vernetzung der Anwohner untereinander beigetragen. Scharf kritisiert Jäkel die Stadt: „Die Stadt ist so passiv, bemüht sich nicht, da ist manchmal von der Bahn mehr Entgegenkommen da.“ Mehr Struktur, mehr Verbindlichkeit, das ist das, was sich die Nordlichter vom Stammtisch wünschen. „Manchmal“, sagt Hans-Jörg Jäkel, „driftet es in Richtung Biertischgespräch ab: ich sage irgend etwas, und muss mich darauf später nicht mehr beziehen.“