Die Bürgerstiftung Stuttgart hat sechs Projekte von kultureller, gesellschaftlicher und umweltpolitischer Bedeutung im Porsche Museum ausgezeichnet. Erstmals kam ein Publikumsliebling zu Ehren.

Stuttgart - Das Porsche Museum, so die Wiener Architekten Delugan Meissl, solle dem Mut und der Begeisterung der Ingenieurskunst Rechnung tragen. Am Dienstagabend gastierten dort Stifter und Bürger, die sich für Kultur, Gesellschaft und Umwelt einsetzen. Auch sie tun das mit Mut und Begeisterung, und so ist das Museum also ein guter Ort für die Auszeichnung überdurchschnittlichen, ideenreichen Engagements.

 

Sechs Projekte hatte die Jury der Bürgerstiftung Stuttgart aus rund 70 Bewerbungen für die Kategorien Nachhaltigkeit, Innovation und Kultur ausgewählt, darunter zum Beispiel das Konzept „Refugees, welcome to Stuttgart“. Die Initiative baut seit 2014 über Facebook ein Netzwerk in der Flüchtlingshilfe auf, sodass sich dort jeder unkompliziert einbringen oder Hilfe abrufen kann.

Inklusion in jeder Form

Als besonders innovativ gilt auch das Projekt „Waldheim Kunterbunt“ in Vaihingen. Dort werden schon seit Jahren behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam in den Ferien betreut. Dank des Projekts sind dort seit 2015 auch ehemalige behinderte Teilnehmer des Camps als Betreuer aktiv. Das habe das Zusammengehörigkeitsgefühl der Helfer im Waldheim sichtlich gestärkt.

Einen sehr langen Atem beweist der Verein „Frühstück für Kinder“, der wegen seiner besonderen Nachhaltigkeit ausgezeichnet worden ist. Gegründet im Jahr 2009, sorgt er an mittlerweile zwölf Schulen zwei bis drei Mal wöchentlich für ein gesundes Frühstück. Ein Filmbeitrag verdeutlichte, wie viel Organisation und Hilfe nötig ist, die bald 600 Schüler zu versorgen. Besonderen Beifall erhielt Gabriel Netzer, der um 5 Uhr aufsteht, um an der Altenburgschule ehrenamtlich das Frühstück herzurichten.

Der Chor wächst und wächst

Ums Essen und um Teilhabe dreht sich ein Projekt der Evangelischen Gesellschaft, das ebenfalls wegen seiner Nachhaltigkeit für preiswürdig befunden wurde. Seit 2004 betreibt der Sozialkonzern im Stuttgarter Stadtteil Rot, gleich in der Nachbarschaft zum Männerwohnheim, dem Immanuel Grözinger-Haus, eine Gärtnerei. Die Hausbewohner können dort Obst anbauen und den Garten bewirtschafte. Die Idee ist, dass sich die Männer des Wohnheims dort sinnvoll betätigen und eine Aufgabe haben.

Fernsehmoderator Wieland Backes führte mit viel Empathie durch den Abend und brachte selbst das Publikum dazu, sein Engagement dem Sitznachbarn und letztlich auch allen im Saal zu offenbaren.

Für alle Teilnehmer von kulturellen Initiativen war die Bühne allerdings nicht ausgelegt. Eine davon: „Gospel im Osten“ (Gio), ein Projektchor, der 2005 gegründet wurde und mittlerweile eine feste Größe in der Musik- und Kulturlandschaft der Stadt ist. 500 Sängerinnen und Sänger besuchen meist regelmäßig die Proben. Zur Preisverleihung rückte also nur die Small Edition des Chors an, die aus 20 Sängerinnen und Sängern besteht und von Thomas Dillenhöfer geleitet wurde. Doch selbst dieser kleine Ableger des großen Chors bewies, mit welcher Kraft alle an die Sache rangehen: Zuletzt tanzten und sangen die Zuschauer mit.

Immer mehr wollen Lebensmittel teilen

Der zweite Preisträger aus der Kategorie Kultur sind eigentlich zwei: Das Junge Ensemble Stuttgart und die freie Theatergruppe Citizen.Kane.Kollektiv. Sie haben sich 2015 zusammengetan, seither erarbeiten zehn Jugendliche im Alter zwischen 16 und 21 Jahren das Stück „Unterm Strich“, ein Stück über Prostitution und Menschenhandel. Die 16- bis 21-Jährigen haben selbst in Rumänien recherchiert, Szenen im vergangenen Sommer an verschiedenen Spielorten aufgeführt und erarbeiten jetzt ein großes Stück, das im März auf die Bühne kommt.

Die Vorsitzende der Bürgerstiftung, Helga Breuninger, hatte zwar erkältungsbedingt mit ihrer Stimme zu kämpfen, bedankte sich am Dienstagabend aber um so herzlicher bei Stiftern und Gästen: „Wir feiern heute Menschen, die anpacken, kreativ sind sich engagieren und Zeichen setzen gegenZynismus, Angst und Gleichgültigkeit.“ Einer, der ihr dabei seit Jahren zur Seite steht, ist Frank Heintzeler. Er hatte für die Stiftung im Jahr 2016 den Ausbildungscampus für Flüchtlinge an den Start gebracht und bekam dafür eine Ehrenmedaille. An ihn wie an 150 000 weitere Ehrenamtliche in der Stadt erinnerte OB Fritz Kuhn: „Unsere Stadt hat unter dem staatlichen sozialen Netz ein Ehrenamtsnetz. Darum stehen wir so gut da.“

Die rund 400 Gäste, die Laudatoren und Festredner, unter ihnen Gastgeber Uwe-Karsten Städter von der Porsche AG, wurden Zeugen einer Premiere: Erstmals ist ein Publikumspreis vergeben worden. Die Besucher der Stiftungshomepage gaben 5500 Mal ein Votum ab und kürten mit mehr als 5000 Stimmen das Projekt Foodsharing in Stuttgart. Die Mitglieder bestücken an mehreren Stellen in der Stadt Kühlschränke und Regale mit überzähligen Lebensmitteln. Wer kein Geld hat, darf sich dort bedienen. Der Preis in Höhe von 3000 Euro könnte, so Maximilian Kraft, in ein Café mit Lebensmitelverteilstation fließen, aber darüber wolle man erst noch demokratisch abstimmen.