Stuttgart 21 ist weiterhin ein umstrittenes Thema in der Stadt. Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen Bürgerumfrage, die am Montag vorgestellt wurden. Noch skeptischer wird nur das Einkaufszentrum Milaneo gesehen.

Stuttgart - Die Stuttgarter Ärztin und Psychologin Angelika Linckh hat bei der 286. Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21 den Teilnehmern Mut gemacht: „Wir sind auch heute nicht wirkungslos“, betonte sie. „Die Skepsis reicht bis tief in die Reihen früherer S 21-Befürworter. Stuttgart 21 hat heute nicht mehr, sondern weniger Zustimmung in der Stadt als 2012. Und das hat auch etwas mit unserem Protest zu tun. Es hat damit zu tun, dass wir nie aufgehört haben, laut und öffentlich zu sagen, was ist.“ Allerdings haben am Montag Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) und der Leiter des Statistischen Amts, Thomas Schwarz, dieser Einschätzung widersprochen und ein gegenteiliges Ergebnis aus der im Zwei-Jahres-Rhythmus durchgeführten Bürgerumfrage herausgelesen; unter anderem waren 9200 zufällig ausgewählte Einwohner ab 15 Jahren aufgefordert worden, zu wichtigen Planungen, Projekten und Einrichtungen Stellung zu beziehen. Diese Erkenntnisse wurden im Rathaus vorgestellt.

 

„Die Zustimmung für Stuttgart 21 ist gestiegen und das Meinungsbild hat sich positiv entwickelt“, kommentierte Schairer die Auswertung von 3700 zurückgesandten (40 Prozent) Bögen. Eine sehr gute und gute Meinung über den Tiefbahnhof haben 42 Prozent der Befragten, 34 Prozent eine eher schlechte oder sehr schlechte. Auffällig im Vergleich zu anderen Projekten in Stuttgart ist die geringe „Weiß-nicht“-Quote. Zu S 21 haben lediglich drei Prozent keine eigene Meinung, zum (noch nicht begonnenen) Wohnungsbauprojekt Neckarpark dagegen 32 Prozent.

Kommunalbarometer berücksichtigt Mittelwerte

Zur leichteren Vergleichbarkeit des Stimmungsniveaus betrachtet Amtsleiter Schwarz lieber das Kommunalbarometer – einen Mittelwert aus den einzelnen Wertungen von „sehr gute Meinung“ (100 Punkte) bis „sehr schlechte Meinung“ (null Punkte). Demnach ist die Zustimmung zu Stuttgart 21 gegenüber 2013 (46 Punkte) auf 50 Punkte gestiegen. Das ist aber immer noch weniger als im Jahr der Volksabstimmung (53). Bürgermeister Schairer stellt klar, dass eine Zustimmungsquote von gerade einmal der Hälfte noch nicht überzeugend wirke und die Öffentlichkeitsarbeit wohl intensiviert werden müsse.

Zugelegt haben auch die unmittelbar aus dem Vorhaben resultierenden und separat abgefragten Projekte wie das neue Rosenstein- und das Europaviertel (von 51 auf 53 Punkte) sowie die Erweiterung des Schlossgartens (von 68 auf 71). Freilich habe die Zustimmung dafür schon immer über jener des Bahnprojekts und der den reinen Umbau des Hauptbahnhofs betreffenden Aspekts gelegen. Letzterer ist mit 49 Punkten der zweitschlechteste der Umfrage (2013: 46 Punkte).

Gerber ist beliebter als das Milaneo

Noch skeptischer wird nur das Einkaufszentrum Milaneo gesehen, zu dem die Bürger erstmals befragt wurden. Der Wert liegt mit 42 Punkten deutlich unter dem des konkurrierenden Konsumtempels Gerber in der Tübinger Straße (50 Punkte). Die Realität sieht anders aus: Die Shopping-Mall hinterm Bahnhof brummt, während das Gerber mit Konsequenzen im Management der schwachen Kundenfrequenz begegnen will. Eine Erklärung sieht Amtsleiter Schwarz darin, dass das Milaneo viele Besucher außerhalb Stuttgarts anlockt, die an der Umfrage nicht teilnahmen. Gespannt ist Bürgermeister Schairer auf die altersspezifische Untersuchung der Zahlen zum Milaneo, in das die Billig-Marke Primark vor allem junges Publikum zieht.

Die Zentren sind meilenwert von den ermittelten Spitzenwerten entfernt: Der Stadtbahnausbau kommt auf 75 Punkte, das Projekt „Stadt am Fluss“ auf 74 und der Rosensteintunnel auf 67 – er erscheint nur politisch umstritten. Unklar ist, ob die Bewertung des B-10-Tunnels bei jenen Teilnehmern anders ausgefallen wäre, die bereits vor Bekanntgabe der Kostenexplosion um 40 Millionen Euro Mitte Mai ihren Fragebogen abgeschickt hatten.

Kürzlich wurde auch das Ergebnis zur Lebensqualität bekannt gegeben; es beschreibt die Zufriedenheit der Bürger mit Stuttgart und liegt bei 76 Punkten. Lediglich in den Befragungen von 2007 und 2009 erreichte die Zufriedenheit einen Punkt mehr (77). Noch 1997 lag sie bei 61 Punkten.