Die erste Reaktion der Mutter war Panik, als sie bemerkte, dass ihre Tochter an Bulimie leidet. Als nächstes kamen die Selbstvorwürfe. Hilfe fand die Familie schließlich in der Praxis von Anja Simon in Degerloch.

Degerloch - Es waren eindeutige Spuren in der Toilette, die Rica Meyer erkennen ließen, dass ihre damals 14-jährige Tochter an Bulimie erkrankt war. Das inzwischen knapp 16-jährige Mädchen hatte eine Diät begonnen und, wie ihre Mutter berichtet, relativ schnell zehn Kilogramm abgenommen. Als Meyer ihre Tochter auf die verräterischen Spuren ansprach, stritt das Mädchen alles ab. Doch ihre Mutter erwischte sie wenig später dabei, wie sie sich übergab.

 

Zuerst kam Panik auf

„Meine Reaktion darauf war Panik. Mir war sofort klar, dass wir etwas unternehmen müssen“, beschreibt Meyer den Tag, der nun nahezu zwei Jahre zurückliegt. Seither versucht die 47-Jährige, professionelle Hilfe für ihr Kind zu bekommen: „Das gestaltet sich aber schwierig, weil es verschiedene Behandlungen gibt, der Draht zum Therapeuten stimmen muss und vor allem derjenige auch bereit sein muss, mitzumachen.“ Meyers Tochter hat schon an einem Workshop bei Anja Simon teilgenommen, doch die Therapeutin riet zu einer stationären Behandlung. Bis es so weit ist, berät Simon das Mädchen telefonisch – und versucht die Familie Meyer, ihr Zusammenleben hinzukriegen: „Das Familienleben leidet erheblich. Die Bulimie ist von starken Stimmungsschwankungen geprägt, es kommt häufig zu Aggressionen. Besonders am Anfang hat man sich damit auch noch nie beschäftigt und ist oft sehr wütend“, erklärt Rica Meyer. Hinzukomme, dass sie und ihr Mann sich oft nicht darin einig seien, was zu tun ist, und auch die jüngere Tochter Streit und Spannungen abbekomme.

In der Kindheit überbehütet?

Und über allem schweben die Schuldgefühle und Selbstvorwürfe: „Natürlich fragt man sich ununterbrochen, wie es zu der Essstörung kommt“, beschreibt es Meyer und glaubt, dass sie als „ängstlicher Typ“ in der Kindheit möglicherweise überbehütet habe. Umso schlimmer ist es, das Kind leiden zu sehen: „Es fühlt sich schrecklich an zu sehen, dass das eigene Kind ein Verhalten an den Tag legt, das ihm schadet.“

Doch Meyer resigniert nicht. Eltern in einer ähnlichen Situation rät sie: „Immer wieder das Gespräch suchen und im Gespräch bleiben. Nicht den Kopf in den Sand stecken, auch selber mit anderen über die Essstörung sprechen, möglichst ruhig bleiben bei Konflikten, gegebenenfalls einen Vermittler hinzuziehen – versuchen, so normal wie möglich zu leben.“