Historiker arbeiten auf, wie stark der Bundesnachrichtendienst nach Kriegsende NS-belastete Mitarbeiter rekrutierte – gedeckt durch die Regierung Adenauer. Am Montag stellte die Kommission in Berlin einige Zwischenergebnisse vor.

Berlin - Als der BND-Mitarbeiter Wolfgang Otto 1961 Beamter werden sollte, musste er in einem Fragebogen seine Verwendung in der Nazizeit angeben. Otto, der in verantwortlicher Position für den BND spionierte, musste einräumen, vor 1945 unter anderem Konzentrationslager bewacht zu haben. Er wurde dennoch Beamter, weil die zuständige BND-Kommission in der KZ-Bewachung nur eine „rein optische Belastung“ erkennen konnte. Mit anderen Worten: Es sollte möglichst nicht öffentlich bekannt werden, dass Otto ein KZ-Wächter war.

 

Das Verschleiern und Verstecken von NS-Tätern in den eigenen Reihen hatte beim BND jahrzehntelang Tradition. Das ist seit langem bekannt. Und doch hat der Dienst erst im Jahr 2010, mehr als 60 Jahre nach seiner Gründung als Organisation Gehlen, eine unabhängige Historikerkommission beauftragt, seine Geschichte aufzuarbeiten. 2015 soll diese Kommission ihre Ergebnisse präsentieren. Gestern stellte die Kommission in Berlin einige Zwischenergebnisse.

Anfangs waren 90 Prozent der BND-Mitarbeiter vorbelastet

So legte der Historiker Christoph Rass dar, dass 1950 rund 90 Prozent des Dienstpersonals NS-belastet war beziehungsweise aus der Wehrmacht kam; 1965 betrug diese Quote noch 50 Prozent. Noch 1965 sei jede achte der neueingestellten Personen belastet gewesen. Auffällig sei laut Rass zudem, dass oftmals die Herkunftsbehörde aus der Nazizeit Einfluss auf das neue Tätigkeitsfeld im Geheimdienst hatte. So seien frühere Mitarbeiter von Gestapo und Reichssicherheitshauptamt vorwiegend als Ermittler und Beschaffer eingesetzt worden; frühere Abwehr-Leute kamen vorrangig in der Auswertung unter, während Angehörige der Waffen-SS und des Auswärtigen Amtes ein breiteres Tätigkeitsfeld hatten. Rass zufolge sei im BND das gesamte Spektrum des NS-Staates vertreten gewesen.Sein Forscherkollege Gerhard Sälter machte ein „System der Schneeball- und Kettenrekrutierung“ für die hohe Quote NS-belasteter Mitarbeiter verantwortlich. Dadurch hätten sich Nazi-Seilschaften gebildet, die auf Komplizenschaft, Freundschaft und politischer Nähe beruhten. Die BND-Führung habe dies geduldet und – mit Deckung des Kanzleramtes – viele Jahre keine Konsequenzen daraus gezogen. Anfang der 90er Jahre erst seien die letzten NS-belasteten Mitarbeiter ausgeschieden.

BND-Außenstellen sollen künftig als solche erkennbar sein

Welchen Einfluss aber hatten diese antikommunistisch und antisemitisch geprägte Seilschaften auf die Informationen des Dienstes an die Regierung? Welche Auswirkungen hatte das Agieren der Tätergeneration im BND beispielsweise auf die Bewertung des Prager Frühlings 1968? Wie beeinflusste sie auch den Umgang der politischen Entscheidungsträger im Nachkriegsdeutschland mit den Protagonisten des Widerstandes gegen Hitler? Diese Fragen wurden in dem Kolloquium nur angerissen. In zwei Jahren, wenn die Kommission ihren Abschlussbericht vorlegen wird, müssen die Antworten auf diese Fragen geliefert werden.

Das erwartet auch BND-Präsident Gerhard Schindler. Er stellte die Bedeutung des Projekts heraus, mit dem „eine Glaubwürdigkeit des heutigen Handelns“ geschaffen werde. „Die Berichterstattung über die Kooperation von NSA und BND hat gezeigt, dass in den Medien und der Bevölkerung völlig falsche Vorstellungen von unserer Arbeitsweise bestehen“, sagte er. „Wir brauchen mehr Transparenz als Voraussetzung für eine breitere Vertrauensbasis in der Bevölkerung.“ In diesem Zusammenhang deutete Schindler an, die Legendierung von BND-Außenstellen, an deren Eingängen noch immer Tarnbezeichnungen hängen, aufzuheben. Auch hier sei Transparenz das Gebot der Stunde.