Angela Merkel gastiert auf einem Münchner Volksfest und die versammelte CSU-Gemeinde geizt nicht mit Applaus. Am Ende stellt sich sogar Horst Seehofer für ein gemeinsames Foto auf die Bühne.

München - Sieh an: Am Ende stehen sie dann doch noch gemeinsam auf der Bühne. Horst Seehofer wollte das vermeiden; zumindest wollte er nicht oben sitzen, während Angela Merkel redete. So etwa dauere doch immer eine Weile, hatte er vorab gesagt, da könne man es gar nicht vermeiden, mal zur Decke zu schauen oder sonst einen wenig präsentablen Gesichtszug zu zeigen: „Dann entstehen Bilder, in die alle Welt wieder alles mögliche hineininterpretiert.“

 

Nein, der CSU-Vorsitzende will (derzeit) nicht, dass man in sein Verhältnis zur CDU-Chefin etwas anders hineininterpretiert als eitel Eintracht. Schon dass Angela Merkel von der Weltbühne in ein bayerisches, in ein Münchner Bierzelt gereist ist, „ohne sich eine Erholungspause zu gönnen“, wie Seehofer lobt, das ist ja Zeichen genug. Und die gut eineinhalbtausend Zuhörer auf dem Truderinger Stadtteilvolksfest – praktisch alle in Dirndl und Lederhose, die Maß und das Brathendl vor sich auf den Tischen –, die quittieren es mit einem lang anhaltenden „Ooooh!“, als Seehofer die von ihm über eineinhalb Jahre lang so geschmähte Gastrednerin plötzlich anspricht mit „Liebe, hochverehrte Frau Bundeskanzlerin, liebe Angela Merkel!“

Zwischen Protest und Bewunderung

Es ist Sonntag Mittag, 13 Uhr, als der im Wortsinn heiß ersehnte Doppelauftritt zustande kommt. Fast 30 Grad hat es draußen; im randvollen Bierzelt steht die Luft, auch wenn es nach hinten, des erwarteten Ansturms wegen, geöffnet worden ist. Leute sind da, die es toll finden, dass der Seehofer der Merkel bei den Asylanten „g’scheit dreing’redet“ hat; so was wollen sie heute wieder hören. Andere sind aus Bewunderung für die Kanzlerin gekommen; „damit sie durchhält“, sagt eine Frau. Eine andere meint: „Die hat ja eh schon alles gemacht, was der Seehofer vorgeschlagen hat, nur halt umgetauft, unter anderem Namen, damit’s nicht auffällt.“ Ein paar irakische Flüchtlinge sind da, die „unbedingt Frau Merkel sehen“ wollen, und etwa ein dutzend Schreihälse auch: „Merkel muss weg! Hau ab!“, brüllen sie; ihre Trillerpfeifen durchdringen auch den lautesten Bierzeltapplaus.

Am Dienstag schon hätte Merkel ins CSU-Heiligtum kommen und so etwas wie die große Verbrüderung der Unionsschwestern besiegeln sollen; dann kam das Attentat von Manchester dazwischen. Aber der Termin musste sein. Und innerhalb kürzestmöglicher Frist wurde er nachgeholt.

Merkel ohne jede Müdigkeit

Auftritt Merkel. Nach ihrer enttäuschenden Gipfel- und ihrer Obama-seligen Kirchentagswoche hätte man mit ein bisschen Müdigkeit rechnen dürfen, aber die 62-Jährige (fünf Jahre jünger als Seehofer) lässt dergleichen in keiner Weise erkennen. Eine klassische Wahlkampfrede hält sie, so dicht durchgetaktet, als müsste sie das Volk gar schon fürs übernächste Wochenende motivieren. Dass seit 2013 alle Wahlversprechen gehalten worden seien, sagt Merkel; von einer „in meiner Regierungszeit“ halbierten Arbeitslosigkeit spricht sie; mehr innere Sicherheit verspricht sie: „das schaffen andere nicht“. Dann gibt’s natürlich viel Lob für Bayern, „wo die Zustände noch ein bisschen besser sind als im Bund.“

Mit Applaus für die Kanzlerin geizt die Münchner CSU-Gemeinde überhaupt nicht. Den meisten Beifall erhält Merkel aber an einer Stelle, an der sie gar nicht damit rechnet. Sie preist Europa als eine „Gemeinsamkeit des Friedens und der Freiheit“ und sagt: „Für ein solches Europa lohnt es sich zu kämpfen.“ Für eine Wahlkampfrede ist das eher ein langweiliger Pflichtsatz. Aber in Trudering rauschen solche Beifallsstürme durchs Zelt, dass die CDU-Chefin ihren Wortfluss verblüfft unterbricht.

Das Bierzelt hat Merkel in ihren 33 Redeminuten auf jeden Fall gewonnen. Danach kommt tatsächlich auch Seehofer auf die Bühne. Er kriegt eine Monster-Brezn mit dem Schriftzug „CSU“ überreicht; Merkel eine gleich große mit dem Schriftzug „CDU“. Jetzt könnten sie ja tauschen wie Fußballgegner mitunter ihre Trikots. Sie tun es nicht, jedenfalls nicht vor laufenden Kameras.