Das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen im Wahlkreis I ist keines gewesen. Stefan Kaufmann hat sein Direktmandat errungen, Grünen-Kandidat Özdemir dagegen nicht. Er zieht über die Landesliste in den Bundestag ein.

Stuttgart - Den Triumphator wollte Stefan Kaufmann am Wahlabend nicht mimen. Stattdessen schritt der wiedergewählte CDU-Bundestagsabgeordnete Arm in Arm mit seiner ebenfalls erfolgreichen Parteifreundin Karin Maag in den Großen Sitzungssaal des Rathauses.

 

Seit etwa drei Monaten habe er nicht mehr daran gezweifelt, das Direktmandat im Wahlkreis Stuttgart I zu erringen. Dort hatte Kaufmann bei der Bundestagswahl vor vier Jahren einen Vorsprung von 6400 Stimmen (4,5 Prozent) auf den Chef der Bundesgrünen, Cem Özdemir, gehabt – obwohl sich seine politische Karriere bis dato im Amt eines Sillenbucher Bezirksbeirats erschöpft hatte. Diesmal lag Kaufmann 14,5 Prozentpunkte vor dem prominenten Rivalen aus Berlin.

Für den in der Partei nicht immer unumstrittenen Kreisvorsitzenden, unter dessen Regie die CDU mit dem von Kaufmann auserkorenen Kandidaten Sebastian Turner das Stuttgarter Rathaus an die Grünen mit OB Fritz Kuhn verloren hatte, muss das Ergebnis auch eine persönliche Genugtuung gewesen sein. Sogar CDU-Fraktionschef Alexander Kotz, ein treuer Gefolgsmann Kaufmanns, hätte „einen so deutlichen Unterschied nicht erwartet“.

„Ursache für Niederlage bei uns suchen“

Katzenjammer dagegen bei den Stuttgarter Grünen, die zumindest auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Kaufmann und ihrem prominenten Frontmann Özdemir gehofft hatten. Dass der in den ersten Hochrechnungen bei den Erststimmen kurzzeitig sogar hinter der SPD-Kandidatin Ute Vogt lag, zeichnete blankes Entsetzen in die Gesichter der Funktionäre. Der Kreisvorsitzende Philipp Franke hatte sich freilich schnell wieder gefangen und machte den fehlenden Rückenwind aus Berlin für das Wahldesaster verantwortlich. Dass sich die Grünen links von der SPD positioniert hätten, sei „nicht der richtige Weg“. Franke propagierte die „pragmatische Politik“ der Grünen in Stadt und Land als Erfolgsmodell für künftige Wahlkämpfe.

Özdemir selbst zeigte sich in ersten Reaktionen selbstkritisch: „Wir müssen die Ursache für die Niederlage bei uns suchen.“ Er hatte offenbar selbst nicht mehr damit gerechnet, das Direktmandat erringen zu können, und war bereits am Sonntagvormittag nach Berlin abgereist. Von dort aus gratulierte er am Abend Kaufmann zum Wahlerfolg. Özdemir, der über die Landesliste in den Bundestag einzieht, erklärte sein schlechtes Abschneiden damit, dass „gegen den Merkel-Bonus und den Bundestrend“ nur schwer anzukommen gewesen sei. Ob er angesichts der Niederlage noch für eine Führungsposition in der Fraktion infrage kommt, bleibt abzuwarten.

Kritik an Özdemirs Ehrgeiz, Kaufmann das Direktmandat abnehmen zu wollen, kam unterdessen aus dem Mund von Parteifreund Winfried Hermann: „Es war ziemlich hochgegriffen, das Direktmandat anzustreben“, so der grüne Verkehrsminister. Für die Gemeinderatsfraktion sei das Ergebnis acht Monate vor der Kommunalwahl ein „herber Dämpfer“, so Fraktionssprecherin Silvia Fischer. Man müsse nun nach vorn schauen, sagte sie und bemühte dazu ein Zitat von CDU-Altbundeskanzler Helmut Kohl: „Die Karawane zieht weiter.“