Ein Jahr vor der Bundestagswahl diskutieren die Grünen über ihre Ausrichtung. Während sich der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann ein schwarz-grünes Bündnis vorstellen kann, will der frühere Spitzenkandidat Trittin Rot-Rot-Grün vorbereiten.

Berlin - Ein Jahr vor der Bundestagswahl streiten die Grünen darüber, welche Koalitionen sie eingehen könnten. Während der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ein Bündnis mit CDU und CSU auf Bundesebene für denkbar hält, widersprach dem der frühere Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin. Er sieht für die Grünen bei SPD und Linkspartei die größten Schnittmengen. Trittin sagte im „Spiegel“, dem Beispiel der rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen könnten im Herbst weitere folgen. Er hält ein Dreierbündnis auch bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern für vorstellbar.

 

Debatten bei den Grünen werden lauter

Die Debatten um die strategische Ausrichtung zur Bundestagswahl werden in der Partei zunehmend lauter geführt. Trittin sagte, die Zahl der Gespräche und Kreise in der Partei, die Rot-Rot-Grün vorbereiten wollten, nehme zu. Der linke Parteiflügel der Grünen, zu dessen Wortführern Trittin zählt, sieht das gemeinsame Regieren der Grünen mit der CDU mit Misstrauen. Trittin findet den Start in Baden-Württemberg ernüchternd. „Aktuell machen Winfried Kretschmann und seine Kollegen in Baden-Württemberg gerade die Erfahrung, was der Wechsel von der SPD zur CDU bedeutet: dass die kulturelle Umstellung doch sehr groß ist.“ Dem widerspricht allerdings Kretschmann heftig. „Es spricht grundsätzlich nichts gegen Schwarz-Grün“, sagte er in einem Interview. Schwarz-Grün laufe in Hessen erfolgreich und für Baden-Württemberg erwarte er nichts anderes.

Bisher wurde die Debatte über Machtoptionen nach der Wahl vor allem durch SPD und die Linkspartei angeheizt. Mit dem Flügelstreit bei den Grünen richtet sich der Fokus stärker darauf, ob die Grünen zur Linkspartei passen. Gerade in den wertkonservativen Kreisen der Partei bestehen große Vorbehalte gegen die Linke. Kretschmann macht kein Hehl daraus, dass er mit dieser Partei wenig anfangen kann. „Wie soll man mit der Linkspartei ein exportorientiertes Industrieland regieren?“ fragt sich der Regierungschef. In der Wirtschaftspolitik lebe die Linke in der Welt der Nationalökonomie, außenpolitisch befinde sie sich im Niemandsland, so Kretschmann. Er prognostiziert, dass schon die Sondierung mit der Linken scheitern würde.

Flügel streiten über Steuerpolitik

Wie weit die Grünen-Realos von der Linkspartei entfernt sind, zeigt sich nicht nur in der Außenpolitik, sondern beispielsweise auch in der Steuerpolitik. Die Realos sehen die Einführung der Vermögensteuer, die vom linken Flügel der Grünen und der Linkspartei gefordert wird, mit Skepsis. Gerade Kretschmann neigt in der Steuerpolitik zu Pragmatismus. Als jüngst im Bundesrat über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Erbschaftsteuer abgestimmt wurde, sagte Kretschmann, dass die baden-württembergische Landesregierung für die Vorlage der großen Koalition gestimmt hätte. Doch die Stimme des Landes hätte der großen Koalition nicht gereicht, weshalb der Vermittlungsausschuss angerufen worden ist. Für die Linke ist der aktuelle Erbschaftsteuerentwurf dagegen indiskutabel. Das Beispiel zeigt, wie groß die Kluft ist.

So wie Trittin hat sich auch die Bundesvorsitzende Simone Peter für ein Linksbündnis ausgesprochen. Aus Sicht des linken Flügels der Grünen wäre die Linkspartei zwar ein problematischer Regierungspartner, doch auch nicht schwieriger als die CSU. Dagegen sagte die Grünen-Finanzpolitikerin Kerstin Andreae: „In den Ländern regieren wir in den unterschiedlichsten Konstellationen erfolgreich dann, wenn wir die Problem der Menschen lösen und konstruktiv für Ökologie, sozialen Zusammenhalt und Sicherheit arbeiten. Ob das im Bund derzeit mit den Linken ginge, bezweifele ich.“ Ob ein Dreierbündnis überhaupt Chancen hat, bleibt angesichts der aktuellen Umfragen ungewiss. Zurzeit verfügen die drei Parteien über keine Mehrheit.