Katzenjammer bei den etablierten Stuttgarter Parteien: Die rechtspopulistische AfD erzielt auch in der Landeshauptstadt einen Wahlerfolg – auch wenn er hinter dem bundesweiten Ergebnis für die Partei zurückbleibt.

Stuttgart - Die wiedergewählte CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Maag hatte es kommen sehen: Sie habe aus vielen Gesprächen „leider den Eindruck gewonnen, dass die AfD in meinem Wahlkreis Stuttgart II sehr stark wird“, prognostizierte sie am vergangenen Freitag. Als am Sonntag um 18 Uhr die erste Hochrechnung der Wahlforschungsinstitute im Großen Sitzungssaal des Rathauses über den Bildschirm flimmerte, hatte sich die Prophezeiung der Christdemokratin erfüllt.

 

So hat Stuttgart gewählt

Bundesweit kommt die rechtspopulistische Alternative für Deutschland auf rund 13 Prozent der Wählerstimmen – für die erst vor vier Jahren gegründete Partei ein Grund zum Jubeln, für die politische Konkurrenz Anlass zur Sorge. In Stuttgart erzielte die AfD stadtweit 8,8 Prozent der Zweitstimmen. Bei der lokalen AfD-Prominenz im Rathaus löste das Ergebnis Begeisterung und Jubelschreie aus. „Bravo, jawohl“ – so die verbalen Reaktionen der Parteimitglieder und -funktionäre. Mit Wahlkampfparolen wie „Holen wir uns unser Land zurück“ und „Grenzen schützen“ hat die Partei, deren Kreisverband in Stuttgart gerade einmal 250 Mitglieder zählt und damit nicht halb so viele wie etwa die FDP, offenbar auch in den beiden Stuttgarter Wahlkreisen viele Wähler überzeugt, ihr Kreuz bei einer Partei zu machen, die vor allem gegen die vermeintliche Islamisierung Deutschlands und die Flüchtlinge zu Felde zieht. Dass in Stuttgart mit Lothar Maier und Dirk Spaniel zwei Bewerber antraten, die in vergleichsweise gemäßigtem Ton für die politischen Ziele ihrer Partei gestritten haben, mag ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

Frisch gewählter Abgeordneter Maier geht auf Distanz zu Spitzendkandidat Gauland

Stadtrat Lothar Maier, der im Wahlkreis II angetreten war und über Platz 2 auf der Landesliste in jedem Fall in den Bundestag einziehen wird, gönnte sich ein Glas Weißwein, während man bei der CDU Wasser für das passende Getränk an diesem Abend hielt: „Wir haben unser Wahlziel, im Bund zweistellig zu werden, erreicht.“ In seinem Wahlkreis errang die AfD mit fast elf Prozent der Zweitstimmen aus dem Stand ebenfalls ein zweistelliges Resultat. Die Einwanderungspolitik der großen Koalition, Fragen der Rente und der Altersarmut hätten der AfD Wähler zugetrieben, analysiert der Verbraucherschutzexperte, der sich ein Amt als verbraucherschutzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion zutrauen würde. Zugleich grenzte er sich von Aussagen des Spitzenkandidaten Alexander Gauland ab, der gesagt hatte, man dürfe auf die Leistungen deutscher Soldaten in beiden Weltkriegen stolz sein: „Man ist immer gut beraten, Themen zu meiden, die mit dem Dritten Reich zu tun haben“, so Maier. Die Menschen beschäftigten vielmehr aktuelle Probleme.

Daimler-Ingenieur Dirk Spaniel blieb dagegen in seinem Wahlkreis I im einstelligen Bereich (7,2 Prozent), durfte aber am Abend ebenfalls noch auf ein Mandat in Berlin hoffen: Er war auf der AfD-Landesliste auf Rang 10 platziert und hatte sich nach den ersten Hochrechnungen zur AfD-Siegesfeier direkt auf ein Neckarschiff begeben.

AfD-Kreissprecher Bernd Klingler sprach von einem „Superergebnis“ für seine Partei. Nun komme es darauf an, das gute Ergebnis durch die parlamentarische Arbeit in Berlin zu bestätigen.