Wir stellen Stuttgarter Kandidaten vor. Heute: Mit Stefan Kaufmann beim Straßenwahlkampf. 4000 Erststimmen lag er 2009 vor dem Grünen Cem Özdemir. Es wird auch diesmal ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Stuttgart - Stefan Kaufmann hat es eilig, an diesem Abend in die Alte Reithalle zu kommen. Die Kanzlerin lässt man nicht warten, schon gar nicht, wenn man für die CDU im Bundestag sitzt und an diesem Abend damit rechnen darf, von der Bühne herab einen Geburtstagsgruß aus ihrem Munde zu erhalten. Doch der Ordnungsdienst stellt sich quer. Kaufmann, als Berichterstatter für Stuttgart 21 im Bundestag ein rotes Tuch für die Projektgegner, muss durch den Vordereingang und damit durchs Spalier derer, die ihm Gift geben könnten für seine Aussage, die Alternative zu S 21 wäre ein Kopfbahnhof ohne verkehrlichen und städtebaulichen Mehrwert.

 

Dass „S 21 im Wahlkampf keine Rolle spielt“, wie der Kandidat im heiß umkämpften südlichen Wahlkreis Stuttgart I behauptet, trifft zumindest in diesem Moment nicht zu. Auf den Podien werde das Thema kaum gespielt, beteuert Kaufmann, dessen Mantra jetzt ist, man müsse alles dafür tun, dass schnell gebaut werde und man der Bahn auf die Finger schauen müsse.

Einsatz in der CDU-Gruppe der „Wilden 13“

Angela Merkel hat Stefan Kaufmann übrigens erst hinterher im kleinen Kreis gratuliert. „Ihr Büro hat das wohl verschwitzt“, bedauert Kaufmann. Es sei aber keinesfalls die süße Rache der Parteichefin gewesen für seinen Einsatz in der CDU-Gruppe der „Wilden 13“, die die steuerliche Gleichberechtigung der Homo-Ehe wollte. Ein Thema, das ihn persönlich berührt. Kaufmann ist homosexuell und hat seit 13 Jahren einen Lebenspartner. Daraus macht er schon lange kein Hehl mehr – auch wenn er auf seinem Wahlkampf-Flyer lediglich vermerkt hat, er sei katholisch und ledig. Die Kanzlerin kenne ihn, sagt er, sie habe auch gesagt, sie schätze ihn.

Das ist nicht zu viel verlangt, schließlich steht er sich auch für sie schon frühmorgens – mit rotem Lacoste-Shirt und in Jeans auf lässig getrimmt – am Möhringer Freibad die Füße in den Bauch. Wer vier Jahre die Privilegien eines Bundestagsabgeordneten genießen will, weiß in diesem Moment, dass sie hart verdient sind. Es ist nicht so, dass man ihm die Prospekte und Kugelschreiber aus der Hand reißt. Kaufmann weiß, wie sich eine kalte Schulter anfühlt. Im Vaihinger Zentrum ist ihm da schon mehr Aufmerksamkeit gewiss. Man merkt Kaufmann an, dass er sich überwinden muss, Hinz und Kunz anzusprechen. In einer Gruppe rüstiger Senioren ist er aber schnell in seinem Element. Die Frage, ob es um NSA oder NSU gegangen sei, verneint er lächelnd. Man hat das Mitglied des Verkehrs-, des Petitions- und des Bildungsausschusses gebeten, sich dafür einzusetzen, dass der verdreckte Bodenbelag vor dem Rathaus gereinigt wird. „Dafür bin ich mir nicht zu schade“, sagt Kaufmann. „Das schreibe ich mir auf und gebe es weiter.“ Auch die Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) hat Post bekommen. Der Hobbymusiker, in der Kulturszene bestens vernetzt, protestierte kürzlich gegen die ursprünglich geplante Schließung der Abteilung Jazz/Pop der Musikhochschule Stuttgart.

Vom Sillenbucher Bezirksbeirat in den Bundestag

Auch dafür sei er gewählt worden oder dafür, sich beim Bund für Mittel zur Sanierung des Hoppenlaufriedhofs einzusetzen. Das ist das Selbstverständnis des Direktkandidaten. Es ist „sein“ Wahlkreis, den er vor vier Jahren als politisches Leichtgewicht aus dem Sillenbucher Bezirksbeirat gegen den Grünen-Bundeschef Cem Özdemir für die CDU verteidigt hat. Er betont, das halbe Jahr im Wahlkreis unterwegs zu sein, wenn er nicht in Berlin Petitionen bearbeitet, sich um Fragen der Studienfinanzierung und des Hochschulzugangs kümmert oder eben schaut, dass S 21 auf dem Gleis bleibt.

Vor vier Jahren hatte ihn die Junge Union mit Wahlkampf-Spots unterstützt, die Özdemir unter der Gürtellinie trafen. JU-Chef Benjamin Völkel lässt zwar weiter Sprüche wie „Freiheit statt Ökodiktatur“ ab, doch die Kandidaten gehen zivil miteinander um. Özdemir beklagt sich, es sei einfacher, einen Pudding an die Wand zu nageln, als Kaufmann auf dem Podium zu packen. Egal, welche Position man kritisiere, der Christdemokrat distanziere sich davon. „Ich habe meinen eigenen Kopf“, sagt Kaufmann, „und bin unkonventionell.“

4000 Erststimmen lag Kaufmann 2009 vor Özdemir. Es wird auch diesmal ein Kopf-an-Kopf-Rennen – und für Kaufmann eine Schicksalswahl. Verlöre der Rechtsanwalt, wäre er sein Mandat los. Nach der Pleite mit seinem Kandidaten Sebastian Turner bei der OB-Wahl ist er aber auch ein Kreisvorsitzender auf Bewährung.