Die Vormachtstellung bei der Bundestagswahl in Stuttgart können die anderen Parteien der CDU nicht abnehmen. Die Christdemokraten Stefan Kaufmann und Karin Maag gewinnen die Direktmandate. Doch die Grünen sind in einem Wahlkreis mit Cem Özdemir nah dran.

Stuttgart - Die CDU hat in Stuttgart trotz Verlusten die Bundestagswahl gewonnen. Sie errang stadtweit das beste Ergebnis und auch wieder die Direktmandate in den beiden Wahlkreisen – mit Stefan Kaufmann im Süd-Wahlkreis und Karin Maag im Nord-Wahlkreis. Die bundesweiten Verluste schlagen sich aber auch im Stuttgarter Ergebnis der Partei deutlich nieder. Sie ist noch stärkste Kraft in Stuttgart, mit 29,0 Prozent aber auf viel niedrigerem Niveau als 2013 (38,3 Prozent). Auch bei den Erststimmen in ganz Stuttgart rangiert sie mit 32,7 Prozent deutlich unter dem Ergebnis 2013 (42,8 Prozent).

 

Die Grünen liegen bei den Zweitstimmen mit 17,6 Prozent auf Platz zwei vor der SPD. Sie steuerten auf ihr zweitbestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl in Stuttgart zu, bei den Erststimmen für die Vergabe des Direktmandates (23,3 Prozent) liegen sie sogar noch deutlicher vor der SPD (15,5). Die konnte sich bei den Zweitstimmen stadtweit nur noch mit einem halben Prozentpunkt vor der FDP (15,2 Prozent) behaupten, die Linke um 0,4 Punkte vor der AfD (8,8 Prozent).

Nur noch ein Vorsprung von 2,3 Prozentpunkten

Im Süd-Wahlkreis konnte der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir den Abstand zu Kaufmann von gut 14 Prozentpunkten vor vier Jahren auf 2,3 Punkte verringern – weil der Christdemokrat um zehn Punkte von 42 auf 32,0 Prozent zurückfiel. Sie trennen noch knapp 4000 Stimmen. Ute Vogt (SPD) hat noch einmal 3,8 Punkte verloren, obwohl sie 2013 nur 16,6 Prozent erhalten hatte. Kaufmann sagte, mit dem knappen Vorsprung hätte er vor einer Woche nicht gerechnet. „Ich kann mich nicht vom Bundestrend lösen, aber ich habe in schwierigem Umfeld mein Mandat verteidigt.“ Karin Maag musste vergleichbare Erststimmenverluste hinnehmen. Sie kam noch auf 33,5 Prozent. Michael Jantzer von der SPD (18,5) lag fast acht Punkte unter dem Resultat des letztmaligen SPD-Kandidaten Nicolas Schäfstoß. Anna Christmann (Grüne) holte mit 15,8 Prozent mehr Erststimmen als vor vier Jahren Birgitt Bender.

Wie viele Abgeordnete neben den CDU-Bewerbern aus Stuttgart über die Landeslisten der Parteien nach Berlin kommen, stand bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht fest. Sicher rechnen konnten damit Özdemir, Vogt sowie Judith Skudelny (FDP) im Süd-Wahlkreis, Bernd Riexinger (Linke) und Lothar Maier (AfD) im Nord-Wahlkreis. Chancen wurden auch Dirk Spaniel (AfD) im Süden und Anna Christmann (Grüne) im Norden eingeräumt. Das vorläufige Ergebnis stand gegen 22.30 Uhr fest, aber über Zweitmandate wird beim Bundeswahlleiter befunden. Die Wahlbeteiligung lag mit 79,6 Prozent über der von 2013 (76,7 Prozent).

Alle stellen sich auf Jamaika ein

Im Rathaus stellten sich Gäste bei den Ergebnispräsentationen schon früh auf eine Jamaikakoalition aus CDU, FDP und Grünen ein. Noch ehe SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz die große Koalition seitens seiner Partei für beendet erklärte, hatte OB Fritz Kuhn (Grüne) um 18.30 Uhr aufgrund der Fernsehbilder gesagt: „Jetzt muss ernsthaft die Jamaikakoalition sondiert werden.“ Über das gute Ergebnis der AfD zeigte er sich „entsetzt“. Wenn die Grünen im Bund „in dem schwierigen Umfeld“ einen Prozentpunkt mehr erringen könnten, sei das ein sehr starkes Resultat. Das zeige, dass sie auch bei Gegenwind nicht gleich in die Knie gingen. Themen wie Klimawandel oder Qualität von Lebensmitteln hätten verfangen.

Bei den Christdemokraten gab es lange Gesichter. Mit einem so starken Rückgang hatten sie nicht gerechnet. „Das ist kein gutes Ergebnis“, sagte Thomas Bopp (CDU), Vorsitzender des Verbandes Region Stuttgart. Ebenso wie Alexander Kotz, CDU-Chef im Gemeinderat, führte er dies auf den Wettbewerb der kleineren Parteien um Rang 3 zurück. Immerhin bleibe Angela Merkel Kanzlerin, und ohne die CDU könne nicht regiert werden. Kotz: „Vor eineinhalb Jahren hätten wir das als Riesenerfolg betrachtet“. In der Bundestagsfraktion, so die Noch-Abgeordnete Iris Ripsam (CDU), stehe ein Aderlass an. Ripsam war in der zu Ende gehenden Legislaturperiode in den Bundestag nachgerückt, weil sie 2013 auf der CDU-Landesliste kandidiert hatte.

Der SPD-Kreisvorsitzende Dejan Perc lobte Martin Schulz für die schnelle Absage an eine neuerliche große Koalition. Das sei „das einzig Richtige“ gewesen. Nicht nur, weil die SPD ihr schlechtestes Ergebnis einfuhr, sondern auch, weil man der AfD nicht die Rolle der stärksten Oppositionsfraktion überlassen sollte. Skudelny, 2013 mit der FDP an der Fünfprozenthürde gescheitert, freute sich, „dass man in der Mitte der Gesellschaft Wahlen gewinnen kann“.

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