Vater, Mutter, Sohn und Schwiegertochter: Alle Horlachers sind Wahlhelfer in Stuttgart-Sillenbuch. Am 24. September werden sie wieder die Urnen hüten. Dabei ist ein kleiner Familienwettstreit inklusive.

Sillenbuch - Die Nummern 017-12 und 017-07 haben die Horlachers verinnerlicht. 017-12 sind Wolf-Dieter und Monika Horlacher, 017-07 Timo und Melanie Horlacher. Was sich hinter diesen Codes verbirgt? Zum einen das Geschwister-Scholl-Gymnasium in Sillenbuch, zum anderen die Schule im Langen Morgen in Heumaden. Die Horlachers sind eine Wahlhelferfamilie, seit Jahr und Tag, und das sind ihre Stammlokale.

 

Angefangen hat alles mit Papa Wolf-Dieter Horlacher. Seinen ersten Dienst an der Urne leistete er 1972 als Auszubildender bei der Stadtverwaltung Stuttgart – „da war ich noch nicht mal wahlberechtigt“, sagt er. Seinerzeit sei er als junger Kerl automatisch für den Job eingeteilt worden, „aber ich fand das spannend, da lernte man gleich die Leute kennen“. Heute, 45 Jahre später, arbeitet Wolf-Dieter Horlacher (61) noch immer bei der städtischen Verwaltung im Stadtmessungsamt und hilft nach wie vor an Abstimmungstagen aus. Vor Jahrzehnten schon ist seine Ehefrau Monika (65) dazugestoßen, Sohn Timo (35), der als Bub schon „ab und zu mit dem Rädle hingefahren“ ist, um zu schauen, was die Eltern treiben an diesen Sonntagen, ist seit der Volljährigkeit dabei und hat seine Frau Melanie (35) noch ins Boot geholt.

In Sillenbuch ist die Wahlbeteiligung besonders hoch

Ob Bundestags-, Gemeinderats- oder Landtagswahl: Die Familie hat Routine. Vater und Sohn sind in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen Wahlvorstände. Das heißt, dass sie nicht nur sonntags Personalausweise prüfen, Häkchen setzen oder Unterlagen ausgeben, sondern bereits freitags und samstags im Einsatz sind. Urnen und Wahllokale in Augenschein nehmen, Kabinen aufbauen, Vorbesprechungen. Die Ehefrauen sind jeweils die Beisitzerinnen. Pro Lokal – 17 sind es in Sillenbuch – sind in zwei Schichten jeweils drei Leute im Einsatz. Um 13 Uhr wird gewechselt. Ab 18 Uhr zählen alle sechs gemeinsam aus. Das jedoch geht bei den Horlachers mittlerweile flink. Eine gute halbe Stunde dauere es bei einer normalen Wahl, fielen Kommunal-, Regional- und Europawahl zusammen, sei der Vorgang dreimal so lang. Der bisherige Topwert: 25 Minuten. Die Horlacher-Teams haben einen kleinen Wettstreit laufen. Wer meldet schneller ans Bezirksrathaus? „Einmal haben wir sie geschlagen“, sagt Melanie Horlacher und grinst ihre Schwiegereltern an.

Bei aller Gewissenhaftigkeit: Spaß muss sein. Obwohl die Wahltage lang und anstrengend sind, machen die Horlachers ihr Ehrenamt mit Vergnügen. Timo Horlacher, der mit Frau und Kindern mittlerweile in Bonlanden wohnt, freut sich, wenn er alte Mitschüler trifft, und auch seine Eltern nutzen ihren Einsatz stets für ein Schwätzchen mit Bekannten, wenn der Andrang nicht zu groß ist. Für Monika Horlacher das Wichtigste: Freundlichkeit, ein Lächeln, guten Morgen und Tschüss. Keiner komme gern ins Lokal, wenn hinterm Tisch trübe Gesichter seien. „Deswegen haben wir vielleicht so eine hohe Wahlbeteiligung“, sagt Timo Horlacher. In Sillenbuch liegt die Wahlbeteiligung tatsächlich traditionell über dem Schnitt, bestätigt der stellvertretende Bezirksvorsteher Hans Peter Klein. 2013 etwa gingen 83,4 Prozent der berechtigten Sillenbucher an die Urne, stadtweit nur 76,7 Prozent.

Manche geben ihre Stimme Donald Duck

Freilich passiert bei diesem Andrang auch Skurriles. „Einmal war RTL da und hat für die Nachrichten gefilmt“, erzählt Wolf-Dieter Horlacher. Ein bekannter Politiker wurde beim Votum aufgenommen. „Wir haben ihn leider nicht gekannt“, sagt er lachend und fügt hinzu: „Bei mir im Lokal sind alle gleich.“ Unterschiedlich ernst nehmen aber manche Wähler den Urnengang. Zerrissene Papiere, unflätige Bemerkungen, auch Donald Duck hat in Sillenbuch schon Stimmen bekommen. Lautstark streitende Ehepaare hat Familie Wahlhelfer ebenso schon erlebt wie eine afrikanische Touristengruppe, die sich auf Englisch das deutsche Wahlrecht erklären ließ. Stifte werden gern geklaut, andere Dinge bleiben zurück. „Gehstöcke bleiben gern mal liegen“, berichtet Timo Horlacher, „aber wir haben noch alles wieder an den Mann gebracht“, sagt sein Vater.

Für ihren freiwilligen Einsatz bekommen die Beisitzerinnen als Ausgleich 55 Euro und die Vorstände 110 Euro. Für das Geld machen sie es aber nicht. Es gehört einfach dazu. An einem Wahlsonntag einfach mal ausschlafen ist keine Option. „Die Überlegung kommt gar nicht zustande. Wenn der Termin kommt, macht man das wieder“, sagt Monika Horlacher. Das Quartett hat schlichtweg Spaß dran. Und die Wähler, die freuen sich, wenn sie immer dieselben Gesichter sehen. Wolf-Dieter Horlacher erklärt: „Manche bedanken sich.“