Der Stuttgarter Ministerpräsident erteilt „Ausschließeritis“ für den Bundestagswahlkampf eine Absage und entschärft so den parteiinternen Streit. Am Samstag tagt der Länderrat.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Unmittelbar vor dem Länderrat der Grünen in Berlin hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann seine Partei aufgefordert, ohne Koalitionsaussage in den Bundestagswahlkampf 2017 zu ziehen und damit den Streit um die strategische Aufstellung der Grünen entschärft. „Ausschließeritis war noch nie meine Sache“, betonte Kretschmann gegenüber dieser Zeitung. „Voraussichtlich wird es weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb eine Mehrheit geben. Das heißt, wir sollten offen sein für andere Bündnisse, auch wenn es uns die CSU nicht gerade einfach macht und ich nicht sehe, wie man mit der Linken im Bund das Land regieren kann.“

 

Kretschmann war von Teilen der Partei unterstellt worden, dass er die Grünen auf einen klaren, schwarz-grünen Koalitionskurs einfluchten wolle. In einem Bericht des „Spiegel“ hieß es vor zwei Wochen, Kretschmann halte Schwarz-Grün für das passende Bündnis in unserer Zeit. Zwar fehlte ein konkretes Zitat als Beleg für diese Präferenz. Trotzdem hatte der Bericht vor allem im linken Flügel der Grünen Unruhe und Abwehrreflexe ausgelöst. Der frühere Umweltminister Jürgen Trittin, der Rot-Rot-Grün favorisiert, warf Kretschmann daraufhin vor, bereits „den ganzen Sommer“ eine Koalitionsdebatte geführt zu haben. So schrieb Trittin es zuletzt im Blog einer Dachorganisation der Parteilinken, Grün Links Gerecht. Dabei sei doch offensichtlich, dass die Programme von CSU und Grünen „reichlich Gegensätzliches und fast nichts Gemeinsames“ aufwiesen, während die Schnittmengen zwischen Linken und Grünen deutlich größer seien.

Koalitionszank sorgt für Unruhe bei den Grünen

Die Parteichefs Cem Özdemir und Simone Peter sowie die Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt mussten deshalb seither jede Menge Frage beantworten und ein ums andere Mal betonen, dass sie die Koalitionsfrage für die Bundestagswahl offen halten wollen.

Vor dem Länderrat in Berlin, in dem die Urwahl der Spitzenkandidaten für den Bundestagswahlkampf beschlossen werden soll, begründete der Stuttgarter Regierungschef seine Position nicht nur mit seiner Auffassung, dass demokratische Parteien grundsätzlich miteinander koalitionsfähig sein sollten. „Das gilt umso mehr, als die Zeit der klassischen Lagerbündnisse schon rein rechnerisch vorbei zu sein scheint – voraussichtlich wird es weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb eine Mehrheit geben.“ Deshalb müssten die Grünen auf ihre Eigenständigkeit setzen. „Die Grünen gehen selbstbewusst und als eigenständige Kraft in den Wahlkampf“ betonte er. „Am Ende werden wir dann sehen, was rechnerisch möglich ist und in welcher Konstellation wir am meisten grüne Politik durchsetzen können.“ Kretschmann bescheinigte den Grünen, als einzige politische Kraft „die Konzepte zu haben, wie wir weiter wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand ermöglichen, ohne unsere Lebensgrundlagen zu zerstören.“

Parteichefin Simone Peter will nicht Spitzenkandidatin werden

Bei dem kleinen Parteitag an diesem Samstag in Berlin fällt der Startschuss für die Urwahl der Spitzenkandidaten. Parteichefin Simone Peter bisher offen gelassen, ob sie sich um einen der beiden Posten bewerben wird. Am Freitag wurde nun bekannt, dass sie darauf verzichtet. „Ich habe beschlossen, mich bei der Urwahl nicht zur Wahl zu stellen“, sagte sie dem „Spiegel“. Sie wolle sich „2017 ganz auf die Aufgabe als Parteichefin konzentrieren und im Team mit unseren Spitzenkandidaten die Weichen für einen politischen Wechsel bei der Bundestagswahl stellen.“ Um eine Hauptrolle im Wahlkampf bewerben sich der Ko-Parteivorsitzend Cem Özdemir, die beiden Bundestagsfraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter sowie der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck. Das Urwahlverfahren wird vom Geschäftsführer der Partei, Michael Kellner, als „Riesenchance“ für die Mobilisierung der bisherigen und für die Werbung zusätzlicher Mitglieder angesehen. Zuletzt hatten die Grünen, die nach dem Reaktorunglück von Fukushima viele neue Parteimitglieder gewonnen hatte, einen gegenläufigen Trend verbucht. „Basis ist Boss“ gab Michael Kellner als Motto der Urwahl aus.