Auch in der Landes-CDU sucht man noch nach der Strategie gegen den SPD-Kanzlerkandidaten, dabei traut längst nicht mehr jeder dem Merkel-Bonus.

Berlin - Der Schulz-Hype – die CDU kann das Wort schon nicht mehr hören. Landauf, landab legt die SPD gerade mächtig zu, seit „Mister 100 Prozent“ zum SPD-Kanzlerkandidaten ausgerufen worden ist. Im Saarland, in Schleswig-Holstein, in NRW. Schulz wirkt überall – wirklich überall? Die Südwest-CDU hofft gegen die von Schulz angezettelte Gerechtigkeitsdebatte immun zu sein.

 

Steffen Bilger, Bezirkschef in Nordwürttemberg, weist auf das hohe Einkommensniveau und die genau so hohe Zahl der Beschäftigten im Land hin. „Unsere Arbeiter wollen nach der Steuer gerne mehr in der Lohntüte behalten, um das Häuslebauen angehen zu können. Das Thema Qualifizierung von Arbeitslosen und eine Gerechtigkeitsdebatte kann hier gar nicht so verfangen.“ Das ist eine gemeinsame Hoffnung. Und noch in einem anderen Punkt sind sich die Südwestler in der Union im Prinzip einig. Ein Wahlkampf wie 2013, als die Kanzlerin allen offenen Schlachten aus dem Weg ging und im Schlafwagen zur Macht rollte, wird es nicht mehr geben. „Die Methode der asymmetrischen Demobilisierung, wie wir das damals nannten, hat sich erledigt“, sagt der Nürtinger Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich. „Zum Glück, das war schon damals eine langweilige Strategie.“ Jetzt muss gekämpft werden. Joachim Pfeiffer (Waiblingen), den wirtschaftspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion, freut das. „Wir müssen Schulz aktiv attackieren“, sagt er. Noch sehe er aber „mangelnden Kampfgeist“ in der Partei. Und da sind sie dann doch wieder: vielleicht keine Gegensätze, aber doch deutlich unterschiedliche Akzentsetzungen in Fragen der richtigen Strategie, die auch in der Bundespartei aufeinanderprallen. Die Union weiß noch nicht so recht, ob sie ganz auf den Ruf der Kanzlerin als ruhender Pol und besonnene Kraft in global chaotischen Zeiten setzen soll, oder lieber zur scharfen Groß-Attacke auf Schulz blasen soll.

Bloß keinen Verteilungswettbewerb

„Auf Merkels weltpolitische Gewandtheit zu setzen“ reicht nicht, sagt Joachim Pfeiffer. „Aktiv“ müsse man sich der von Schulz gestellten Gerechtigkeitsfrage stellen. Diese Schlacht könne die Union gewinnen. Man müsse doch nur die Fakten benennen. Schulz wolle weg von einer Agenda-Politik, die doch offenkundig Erfolg gehabt habe. Er zählt auf: „Die Bezugsdauer von Alg I bei Unter-55-jährigen ist durch die Agenda 2010 von durchschnittlich 149 Tage auf 107 Tage gesunken, bei Über-55-jährigen von 408 Tage auf 216. Ältere Menschen sind heute seltener arbeitslos, ihre Beschäftigtenzahlen steigen genau wie die von Frauen.“ Das alles könne man erklären. Und damit sollte man bald anfangen, rät Steffen Bilger. „Das ist die Erwartung unserer Basis.“ Auch der Bezirkschef von Württemberg-Hohenzollern, Thomas Bareiß, reiht sich in diesen Chor ein. Er sagt: „Der Linksruck von Schulz gibt uns die Chance, wieder stärker wirtschafts- und ordnungspolitisch klare Kante zu zeigen.“ Bloß nicht in den Verteilungswettbewerb mit Schulz eintreten – das ist das gemeinsame Credo dieser Position. Und soweit ist sie in der Partei konsensfähig, auch wenn das Adenauerhaus eher der Meinung zu sein scheint, man werte Schulz zu sehr auf, wenn man zu heftig in das argumentative Klein-Klein einsteige.

Den dahinter liegenden Konflikt spiegeln eher kleinere Bemerkungen wieder. So verlangt Christian von Stetten, die Union müsse im Wahlkampf klar machen, dass sie sich nie wieder von einem Koalitionspartner „über den Tisch ziehen lässt“. Der Koalitionsvertrag mit der SPD sei nämlich „aus Sicht des schwäbischen CDU-Wählers nicht leicht verdaulich gewesen.“ Auch Joachim Pfeiffer schiebt seiner Forderung, keinen Verteilungswettkampf loszutreten, den Satz nach, die Union habe da „ein bisschen den klaren ordnungspolitischen Kompass verloren“.

Nicht von der eigenen Arbeit lossagen

Wo da unter der rhetorischen Oberfläche die genaue Konfliktlinie liegt, machen Hinweise von Andreas Jung deutlich, der nicht nur südbadischer Bezirkschef, sondern auch Chef der Landesgruppe in der Bundestagsfraktion ist. „Wir dürfen nicht den Fehler der SPD wiederholen und uns von der eigenen Arbeit in der Regierung lossagen“, formuliert er. Deshalb solle man auch nicht „die Dinge selbst in Frage stellen, die wir zusammen mit der SPD umgesetzt haben“. Daraus spricht die Befürchtung, mancher könnte versucht sein, im Wahlkampf die Koordinaten der Union wieder zu verschieben. „Schulz geht nach links, also gehen wir nach rechts – das ist ganz falsch.“ Kurs halten sei angesagt. Nur so könne man Schulz bei der Glaubwürdigkeit packen. „Das ist nämlich die Stärke der Kanzlerin, die Stabilität und Sicherheit vermitteln kann.“

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl rät derweil zur Gelassenheit: „Bis zum 24. September ist es noch ein langer Weg, ein Marathon, da teilt man sich seine Kräfte klugerweise ein.“ Er sei sich sicher, dass am Ende die Erfahrung, die Zuverlässigkeit und die Verlässlichkeit von Angela Merkel entscheidend seien. „Bislang hat Schulz seine SPD noch in keinem Punkt auf Spur gebracht – bei den sicheren Herkunftsstaaten haben ihn seine Ministerpräsidenten genauso im Regen stehen lassen wie Gabriel“, sagt Strobl. „Da war und ist null inhaltliche Führungsstärke.“