Bayerns Innenminister Joachim Herrmann führt die CSU in den Bundestagswahlkampf. Er soll Bundesinnenminister Thomas de Maizière beerben. Ob das gelingt, ist fraglich.

München - Allmählich enden selbst in Horst Seehofers Partei die taktischen Personalspielchen: am Samstag haben die Delegierten der CSU die Landes-Kandidatenliste für die Bundestagswahl offiziell beschlossen. Überraschungen oder gar Widerworte gegen die vom Parteivorstand präsentierte Sammlung sind ausgeblieben. Im Gegenteil: mit einem Votum von 98,4 Prozent für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann als Spitzenkandidaten der CSU für Berlin geht die Partei fast genauso geschlossen in die Wahl wie vor vier Jahren mit Gerda Hasselfeldt, die 98,7 Prozent der Delegiertenstimmen erhielt, nun aber – nach 30 Jahren im Bundestag und vier Jahren an der Spitze der CSU-Landesgruppe – in den Ruhestand entschwindet.

 

Auf den prominenten Schaufensterplätzen der CSU sitzen gleich hinter dem 60-jährigen Joachim Herrmann nun: Verkehrs- und Mautminister Alexander Dobrindt (46), seine parlamentarische Staatssekretärin Dorothee Bär (39), der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer (42) und Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (61). Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt folgt auf Platz 6.

Acht Frauen auf den ersten 20 Plätzen

Frauen sind zumindest auf den ersten zwanzig Listenplätzen mit jenen 40 Prozent vertreten, die Parteichef Seehofer einst als erstrebenswerte Quote ausgegeben hatte; dahinter wird’s – nicht verwunderlich für die klassische Männerpartei CSU – schon dünner. Die einzelnen Wahlkreise haben für die Feinjustierung noch Zeit: erst bis Mitte Juli müssen sie dem Bundeswahlleiter melden, wer sich per Direktkandidatur um einen Platz im Parlament bewirbt.

Bei der letzten Bundestagswahl im September 2013 hat die CSU in ihrem einzigen Antrittsgebiet, in Bayern, 45 Direktmandate geholt; bei einem Wahlergebnis von 49,3 Prozent der Zweitstimmen (auf Bundesebene umgerechnet entsprach das 7,4 Prozent) kam sie insgesamt auf 56 Abgeordnete und stellt in der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU seither etwa ein Sechstel der Parlamentarier.

„2015 soll sich nicht wiederholen“

Joachim Herrmann, der neue Spitzenkandidat der CSU, soll mit seiner fast zehnjährigen Erfahrung als bayerischer Innenminister die „Kernkompetenz“ der Partei verkörpern: die Innere Sicherheit. Horst Seehofer lobte ihn am Samstag beim Listenparteitag im Münchner Vorort Germering: „Man fühlt sich einfach bei dir geborgen und in Sicherheit.“

Herrmann soll nach den Vorstellungen der CSU aber weitaus mehr: Er soll Nachfolger von Thomas de Maizière (CDU) als Bundesinnenminister werden. Er soll eine personifizierte und ausdrücklich auch so formulierte Garantie dafür werden, dass sich „Zustände wie 2015 nicht mehr wiederholen“. Gemeint ist damit die Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge, welche in Bayern als dem hauptbetroffenen Ankunftsland bis heute traumatische Erinnerungen hinterlassen hat. Seehofer sprach damals – an Kanzlerin Angela Merkel gerichtet – sogar von einer „Herrschaft des Unrechts“. Joachim Herrmann soll nach Seehofers Programmatik nun „eine vernünftige Zuwanderungspolitik“ realisieren, „die sich zusammensetzt aus Humanität, Integration und Begrenzung.“ Das Wort „Obergrenze“, mit dem er den Schwesternstreit in der Union monatelang geprägt hat, nahm Seehofer nicht direkt in den Mund; da er eine solche Limitierung – 200 000 Flüchtlinge pro Jahr – seinen Wählern aber ausdrücklich versprochen hat, wird die „Obergrenze“ wohl Einzug halten in das spezifisch bayerische Wahlprogramm, das die CSU im Lauf der nächsten Wochen ausformulieren will.

Ein Alphatier – oder auch nicht

Herrmann sagte den Delegierten in Germering, Bayern sei „ein Musterbeispiel“ für die innere Sicherheit in Deutschland: „Ich kenne die Situation in anderen Bundesländern und im Bund und weiß, es kann mehr Sicherheit geben.» Herrmann spielte damit auch auf das SPD-regierte Nordrhein-Westfalen an, das er in seinen Auftritten immer als abschreckendes Gegenbeispiel hinstellt – dafür, wie Innere Sicherheit eben nicht funktionieren könne. Er sei bereit, sagte Herrmann, das Thema „in den Wahlkampf einzubringen und nach der Wahl auch Verantwortung in Berlin zu übernehmen.“

Von Seehofer indes soll Herrmann bereits die Zusicherung erhalten haben, falls die CSU den Posten des Bundesinnenministers nicht erhalte, brauche er auch nicht als einfacher Abgeordneter nach Berlin zu gehen. Geht Herrmann aber nicht in die Bundeshauptstadt, dann fehlen dort genau jene „Alphatiere“, das Seehofer installieren wollte, „um die Interessen Bayerns wirksam zu vertreten“. Die anderen Spitzenkandidaten der CSU sitzen ja jetzt schon in Berlin, die meisten sogar auf Ministerposten, und sie ließen in Seehofers Augen die gewünschte Stärke bisher durchaus vermissen.