Das Land verweigert dem Präsidialamt den Strafbefehl gegen den Unternehmer Würth. Kritiker fordern, dass der "Schraubenkönig" das Bundesverdienstkreuz zurückgeben soll.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)
Stuttgart - Der Eintrag im Gästebuch des Bundespräsidenten ist kurz, aber knackig. "Wann ringen Sie sich dazu durch", fragt ein Bürger aus dem Saarland, "dem Vorzeigeunternehmer und Steuerhinterzieher Reinhold Würth das Bundesverdienstkreuz abzuerkennen?" Endlich, klingt zwischen den Zeilen durch.

Tatsächlich lässt sich Horst Köhler erstaunlich viel Zeit. Fast zwei Jahre ist es inzwischen her, dass der Hohenloher "Schraubenkönig" einen Strafbefehl über 700 Tagessätze (bis zu 3,5 Millionen Euro) wegen Steuerhinterziehung akzeptierte. Doch bis heute hat das Staatsoberhaupt nicht entschieden, ob Würth trotzdem das zu seinem siebzigsten Geburtstag im Jahr 2005 verliehene Große Verdienstkreuz behalten darf. Erst in nächster Zeit will das Präsidialamt, wie ein Sprecher sagt, dies "abschließend bewerten".

Dauert es etwa so lange, weil sich der Präsident dem Firmenpatriarchen besonders verbunden weiß? Diesen Eindruck nährten zumindest Berichte des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel". Sie brachten in Erinnerung, dass es während der Ermittlungen gleich zwei Berührungspunkte gab: Im Sommer 2007 war der Künzelsauer Konzern einer der Sponsoren von Köhlers Sommerfest (Beitrag: 30.000 Euro). Im Herbst des gleichen Jahres beehrte der Staatschef Würth daheim in Hohenlohe und pries dessen "wunderbare Erfolgsgeschichte".

Präsidialamt wartet immer noch auf den Strafbefehl gegen Würth


Von dem Verfahren will das Präsidialamt laut "Spiegel" offiziell erst im Frühjahr 2008 erfahren haben - obwohl die Razzien 2006 und 2007 bundesweit durch die Medien gingen und Würth sich bei Köhler sogar darüber beklagt haben soll. Das Haupthindernis scheint indes ein formales zu sein: Bis heute wartet das Amt auf den Strafbefehl gegen den prominenten Ordensträger. Angefordert hat es ihn bereits im November 2008 beim Stuttgarter Staatsministerium, doch das verweigert hartnäckig die Herausgabe - zunächst offenbar ohne Begründung. Prompt wurde geargwöhnt, die Landesregierung wolle den Unternehmer und Großsponsor vor Ungemach bewahren. Inzwischen nennt sie "datenschutzrechtliche Gründe", die der Übersendung entgegenstünden.

Der höchsten und vertrauenswürdigsten Instanz des Staates wird Akteneinsicht verweigert - das wirkt einigermaßen bizarr. Im Staatsministerium sieht man sich rechtlich jedoch auf sicherem Grund: Das Justizministerium habe gegen die Herausgabe Einspruch erhoben, sagt ein Sprecher, dessen Experten sei man gefolgt. Verdankt es der FDP-Großspender Würth also dem FDP-Ressortchef Ulrich Goll, dass er seinen Orden noch hat? Das wäre durchaus pikant. Aus Zorn über die Ermittlungen wollte der "Schraubenkönig" einst aus der Partei austreten. Nur mit Mühe konnte er überredet werden, die Mitgliedschaft lediglich ruhen zu lassen. Schuld an dem Ärger seien ja nicht Golls Staatsanwälte, sondern die Steuerfahnder des CDU-Finanzministers, besänftigten ihn liberale Sendboten.

Doch im Justizministerium reicht man die Verantwortung weiter. "Wir hatten mit dem Vorgang überhaupt nichts zu tun", sagt ein Sprechers Golls; mit Ordensangelegenheiten sei man grundsätzlich nicht betraut. Zuständig sei die (freilich dem Ministerium unterstehende) Staatsanwaltschaft Stuttgart als "Herrin der Akten". Diese habe ihre Entscheidung dem Staatsministerium übermittelt.

Würth solle das Verdienstkreuz von sich aus zurückgeben


So bestätigt es auch die Ermittlungsbehörde selbst. Das Steuergeheimnis stehe der beantragten Akteneinsicht entgegen, sagt ein Sprecher. Für diese gebe es "keine Rechtsgrundlage". Laut Ordensgesetz könnten Verdienstkreuze nur entzogen werden, wenn der Träger zu einer Freiheitsstrafe "von mindestens einem Jahr wegen eines Verbrechens" verurteilt worden sei. Steuerhinterziehung aber sei kein Verbrechenstatbestand. Der einschlägige Gesetzeskommentar nennt indes auch massive Hinterziehung als möglichen Grund für eine Aberkennung.

Vermutlich gäbe es einen einfachen Ausweg: Würth selbst könnte die Behörden von der Geheimhaltungspflicht entbinden. Ob er sich mit dieser Möglichkeit befasst hat oder darum gebeten wurde, ist nicht zu erfahren: Zu der leidigen Angelegenheit will sich der Unternehmer weiterhin nicht äußern, wie eine Sprecherin ausrichtet.

Umso lebhafter wird das Gerangel um seinen Orden dafür in Internetforen und Leserbriefen diskutiert. Dort erfährt Reinhold Würth einerseits viel Unterstützung: Eine Schande sei es, wie in Deutschland mit ihm umgegangen werde; seine Verdienste wögen doch viel schwerer als die Vorstrafe. Andere Kommentatoren betonen dagegen, Steuerhinterziehung sei eben kein Kavaliersdelikt und müsse Konsequenzen haben. Oft kommen Verteidiger und Kritiker zum gleichen Schluss: Würth solle das Verdienstkreuz am besten von sich aus zurückgeben.