Der Bund will bis 2030 mehr als 700 Verkehrsprojekte anpacken. Bundesverkehrsminister Dobrindt stellt am Mittwoch den neuen Bundesverkehrswegeplan vor. Erstmals werden die Bürger beteiligt.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Es ist der wichtigste Investitionsplan der Bundesregierung und der Inhalt hat enorme Bedeutung für die meisten Bundesbürger. Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) regelt, welche Verkehrsprojekte in den nächsten 15 Jahren mit Steuergeld realisiert werden sollen – also zum Beispiel, wo Staus durch Neubauten verringert oder neue Bahnstrecken für Pendler gebaut werden. Am Mittwochnachmittag wird Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) den deutlich verspäteten Referentenentwurf in Berlin vorstellen. Dann folgen die Beratung im Parlament, die Anhörung von Verbänden und erstmals auch eine  Bürgerbeteiligung.

 

  Schon vorab sind wichtige Inhalte des Planes durchgesickert, in diesem Fall an das „Handelsblatt“, das auch die Projektlisten zugespielt bekam. Demnach umfasst der Entwurf rund 700 Vorhaben des vordringlichen Bedarfs, die bis zum Jahr 2030 angepackt werden sollen. Gesamtkosten aller Projekte: rund 260 Milliarden Euro. Mehr als 140 Milliarden Euro davon sollen in Erhalt und Modernisierung der bestehenden Straßen, Schienen und Wasserwege fließen, die knappe andere Hälfte in den Neu- und Ausbau.  

Schon der Name, BVWP 2015, deutet die Verspätung an

Im Hause Dobrindt will man das Informationsleck auf Anfrage nicht kommentieren. Ohnehin ist der Minister reichlich im Verzug mit dem BVWP 2015, wie schon der Titel zeigt. Allerdings sollte der neue 15-Jahres-Plan auch einen Neuanfang markieren. Und zwar weg von endlos langen Wunschlisten der Bundesländer für neue Autobahnen oder Umgehungsstraßen, die mittelfristig unfinanzierbar sind. Stattdessen sollen die wichtigsten Vorhaben Priorität bekommen, die den größten Nutzen bringen. Vor allem aber soll künftig Erhalt vor Neubau gehen. Der Sanierungsstau bei der bestehenden Infrastruktur, die zunehmend überaltert und bröckelt, ist gewaltig.

Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen, dass der Entwurf hitzige Debatten auslösen wird. „Die notwendige Konzentration auf das wirklich Wichtige fehlt“, kritisiert die Bundestagsfraktion der Grünen. Viele von Dobrindt vorgeschlagene Projekte  seien „weder sinnvoll noch notwendig“, andere fehlten dafür komplett.  Die Opposition und Umweltverbände dringen nun auf eine umfangreiche Bürgerbeteiligung zu den Plänen, die Grünen wollen eigene Regionalkonferenzen in Ulm, Lüneburg, Leipzig und Bonn veranstalten.

Knackpunkt des Plans ist die Auswahl der vordringlichen Projekte. 84 Vorhaben im BVWP-Entwurf sind laut „Handelsblatt“ mit einem Pluszeichen markiert. Diese Projekte sollen höchste Priorität haben, weil sie volkswirtschaftlich hohen Nutzen bringen. Denn klar ist schon jetzt: Bei vielen der 700 Vorhaben fehlt das Geld für eine rasche Umsetzung.     Schon in den letzten Jahrzehnten war der Verkehrsetat massiv und fahrlässig unterfinanziert. Die Folge: Viele Vorhaben wurden immer wieder verschoben, zum Beispiel hunderte Umgehungsstraßen. Bei anderen wurde zwar mit Planung und Bau begonnen, wegen fehlender Mittel gibt es aber wenig Fortschritte. Ein krasses Beispiel: der schon vor Jahrzehnten gestartete Ausbau der Rheintalbahn, der mit Abstand wichtigsten Güterstrecke, der sich trotz Beschleunigungsmaßnahmen bis weit nach 2030 hinziehen könnte.

Nicht einmal jeder dritte Vorschlag gilt als vordringlich

Manche Umgehungsstraße oder neue Bahnstrecke in der Provinz wird also noch lange ein Wunschtraum bleiben. Rund 1500 Vorschläge zum Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen, weitere 1000 für Schienenprojekte und 46 für Wasserwege wurden bis Anfang 2014 von Ländern, Bürgern, der Bahn und der Schifffahrtsverwaltung beim Bundesverkehrsminister eingereicht. Unterm Strich schaffte es also nicht einmal jeder dritte Vorschlag in den vordringlichen Bedarf.

Einige Diskussionen könnte die Verteilung der Mittel auf die Verkehrsträger auslösen. Rund 50 Milliarden Euro sollen laut „Handelsblatt“ in den Ausbau der Straßen fließen, weitere 66 Milliarden in deren Erhalt. Schienen und Wasserwege sollen demnach die andere Hälfte der Planmittel bis 2030 erhalten, die Bahn davon 34 Milliarden für Neu- und Ausbau. Ob das genügt, um eine Verkehrswende hin zu mehr klimaschonendem Gütertransport auf Gleisen und Kanälen zu erreichen, ist unklar.   Die Verkehrsprognosen, die als Basis des Verkehrswegeplans dienen, sagen jedenfalls ein weiteres massives Wachstum voraus. Demnach wird der Güterverkehr im Transitland Deutschland bis 2030 um weitere 38 Prozent gegenüber 2010 zunehmen, der Personenverkehr um 13 Prozent. Die Infrastruktur steht damit vor einer weiteren Belastungsprobe.