Greifen die Truppenplaner nach dem Rasenmäher nun zur Gießkanne? Die Bundeswehr soll jedenfalls wieder wachsen. Und die SPD will Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei dieser Trendwende genau auf die Finger sehen.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Nach der ersten Aufstockung im vergangenen Jahr hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) jetzt erneut die Zeichen auf Neueinstellungen gestellt. Bis zum Jahr 2024 soll die Truppe auf 198 000 Soldaten und 61 000 Zivilbeschäftigte wachsen. Bereits 2016 hat die Ministerin 7000 zusätzliche militärische Posten bis 2023 aufgesattelt; bei den aktuellen Gesprächen über den Personalbedarf sind noch einmal 5000 zusätzliche militärische Dienstposten, tausend zivile Arbeitsplätze und 500 Positionen für Reservisten dazugekommen. Experten beziffern die Kosten dieser Personalaufstockung auf 800 bis 900 Millionen Euro jährlich.

 

Die Ausweitung begründet Ursula von der Leyen mit dem breiten Anforderungsprofil, das die deutschen Streitkräfte derzeit erfüllen müssen. „Die Bundeswehr ist gefordert wie selten zuvor“, erklärte sie und verwies auf Auslandseinsätze wie den Kampf gegen die Terrormiliz IS, die Stabilisierungsmission in Mali, die Einsätze gegen Menschenschmuggel und Piraterie im Mittelmeer und am Horn von Afrika sowie die neue, dauerhafte Nato-Präsenz deutscher Soldaten in Litauen. Zusätzliches Personal werde nach Angaben des Ministeriums unter anderem bei der Bekämpfung von Cybergefahren, bei der Besatzung von Korvetten, im Sanitätsdienst und zur Aufstellung des sechsten Panzerbataillons benötigt.

SPD verlang Bedarfsplanung

Diese Angaben sind dem SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold allerdings nicht präzise genug. „Die Ministerin muss schon genau sagen, wo sie zusätzliches Personal einsetzen will“, erklärte er gegenüber dieser Zeitung. „Dass de Maizière mit dem Rasenmäher gekürzt hat, war schlimm genug. Wir werden nicht akzeptieren, wenn von der Leyen nun mit der Gießkanne wachsen will.“ Die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Agnieszka Brugger, kritisierte von der Leyens „immer neue Ankündigungen“. Sie warf der Ministerin vor, ihren Personalaufwuchs nur durch Abstriche am Anforderungsprofil erreichen zu können. „Es braucht aber Menschen mit der entsprechenden Qualifikation, hohem Reflexionsvermögen und Verantwortungsgefühl und nicht jeden Beliebigen, nur damit die Ministerin am Ende Erfolg vermelden kann“, betonte die Grünen-Politikerin.

Derzeit zählt die Bundeswehr knapp 178 000 aktive Soldaten. Der Rückblickbelegt, wie entschieden die Abkehr vom Sparkurs der vergangenen Jahre nun ausfällt: 2010 hatte die Bundeswehr noch 245 000 Soldaten unter Waffen. Unter dem damaligen Spardruck erwog von derLeyens Amtsvorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zwischenzeitlich sogar, die Stärke auf nur 150 000 Mann zu reduzieren. Dazu kam es allerdings nie. Ein Jahr später gab Guttenbergs Nachfolger Thomas de Maizière (CDU) als Ziel der Bundeswehrreform eine Personalstärke von 170 000 Zeit- und Berufssoldaten sowie 5000 bis 15 000 freiwillig Wehrdienstleistenden aus.

Von der Leyen gegen feste Obergrenze

Diese Zahlen gelten im Prinzip bis heute. Im Juni 2016 war für die Bundeswehr mit 166 523 Soldaten der Tiefststand erreicht. Geplant war das nicht. Aber seit die deutsche Wirtschaft floriert und die Unternehmen Fachkräfte händeringend suchen, tun die Streitkräfte sich bei der Nachwuchswerbung schwer, die gewünschte Personalstärke auch zu erreichen. Wegen der sich stets verändernden Sicherheitslage will von der Leyen sich nicht mehr an starren Personalobergrenzen orientieren. Sie setzt stattdessen auf einen „atmenden Personalkörper“, von dem sie sich eine höhere Flexibilität verspricht. „Ein sachgerechter Aufwuchs für eine so große Organisation wie die Bundeswehr ist nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen“, räumte von der Leyen ein.

Während im vergangenen Jahr viele Soldaten zum Längerbleiben in der Truppe bewegt werden konnten, setzt die Ministerin bis 2024 vor allem auf mehr Neueinstellungen und spätere Pensionierungen.