Mobbing, Belästigung und Volksverhetzung: Berichte über Missstände bei den Gebirgsjägern in Oberbayern schaden dem Ruf der Bundeswehr. Dabei ist der letzte Skandal der Truppe erst wenige Wochen her. Ein weiterer Einzelfall?

Berlin - Aus der Bundeswehr werden neue Fälle von Mobbing und sexueller Übergriffe berichtet: Ein Obergefreiter der Gebirgsjäger soll im bayerischen Bad Reichenhall über Monate durch Mannschaftssoldaten und Vorgesetzte unter anderem sexuell belästigt und genötigt worden sein. Das geht aus einem Brief des Verteidigungsministeriums an den Bundestag hervor. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Linke und Grüne forderten am Dienstag volle Aufklärung der Vorfälle.

 

Über die Vorwürfe informierte Verteidigungs-Staatssekretär Markus Grübel (CDU) den zuständigen Ausschuss des Bundestags am Montagabend. Der Obergefreite habe angegeben, er sei zwischen November 2015 bis September 2016 „mehrfach diskriminiert sowie verbal und tätlich sexuell belästigt und genötigt worden“, heißt es in dem Schreiben. Im Oktober 2016 wandte sich das Opfer demnach an den Wehrbeauftragten. Dem Brief zufolge wird gegen 14 Beschuldigte ermittelt, davon zwei Feldwebel und zwei Unteroffiziere.

„Äußerst bedauerlich und vollkommen inakzeptabel“

Der damalige Teileinheitsführer sei im Dezember aus seiner Funktion herausgelöst und ersetzt worden, heißt es in dem Brief von Grübel. Der Fall sei „äußerst bedauerlich und vollkommen inakzeptabel“. Die verantwortlichen Kommandeure hätten jedoch „umsichtig und konsequent reagiert“. Grübel schrieb weiter, „erhärtete Vorwürfe“ seien an die zuständige Staatsanwaltschaft abgegeben worden. Die Staatsanwaltschaft Traunstein bestätigte, sie ermittle gegen einen Bundeswehrangehörigen wegen der Vorwürfe von „’Mobbing’ und sexualbezogener Verfehlungen“.

Bei Ermittlungen gegen drei weitere Bundeswehrangehörige gehe es um Vorwürfe der Volksverhetzung und Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. Die Staatsanwaltschaft erwartet nach eigenen Angaben weitere Ergebnisse interner Ermittlungen der Bundeswehr. Bereits im Januar waren schwere Misshandlungsvorwürfe aus einer Ausbildungskaserne im baden-württembergischen Pfullendorf bekannt geworden. In der Kaserne soll es sexuell-sadistische Praktiken sowie Gewaltrituale gegeben haben. Die Linke sprach deswegen von einem „systemischen Problem“.

Ihre verteidigungspolitische Sprecherin Christine Buchholz forderte eine gründliche Untersuchung der Zustände. Ihre Kollegin von den Grünen, Agnieszka Brugger, kritisierte „den Anschein der Heimlichtuerei“. Das Ministerium habe nicht proaktiv, sondern „nur widerwillig und scheibchenweise“ informiert. Unterdessen wandte sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) persönlich wegen eines anderen Falls sexueller Belästigung an die Truppe.

„Von einem Kameraden körperlich bedrängt“

Nach Angaben der Ministerin wurde die betroffene Soldatin „von einem Kameraden körperlich bedrängt und sexuell belästigt“. In einem offenen Brief kritisierte von der Leyen die Begründung für die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft als „inakzeptabel“ und „abenteuerlich“. Nach Angaben der Ministerin schrieb die Staatsanwältin: „Bei dem von Ihnen beschriebenen ‚Imponiergehabe’ des Beschuldigten (Posen, Muskelspiel, Aufforderung zum Sex, Griff an das Gesäß) ist jedoch nach allgemeinem (vorwiegend männlichem) Verständnis davon auszugehen, dass der Beschuldigte sein ‚Interesse’ an Ihnen damit kundtun und nicht, dass er Sie beleidigen wollte.“

Von der Leyen nannte die Interpretationen „abenteuerlich und aus der Zeit gefallen“. Sie fügte hinzu: „Ich dulde in der Bundeswehr kein Verhalten, das die Würde, die Ehre und die Rechte auf sexuelle Selbstbestimmung von Soldatinnen oder Soldaten und der zivilen Beschäftigten verletzt“. Der Vorfall und die Reaktion darauf haben nach Angaben des Ministeriums nichts mit dem Fall in Bad Reichenhall zu tun. Auch dass der Brief der Ministerin gerade jetzt veröffentlicht wurde, sei „purer Zufall“.