Eine bundesweite Umfrage sieht eine Mehrheit für Stuttgart 21. Die besten Chancen werden aber Geißlers Vorschlag eingeräumt.

Stuttgart/Berlin - Das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 findet in der Bevölkerung eine knappe Mehrheit. Zu diesem Schluss kommt eine repräsentative Umfrage der Freien Universität Berlin, die am Sonntag veröffentlicht wurde. Die besten Chancen werden allerdings dem Kompromissvorschlag des Schlichters Heiner Geißler (CDU) zugestanden. Danach soll der Fernverkehr unter der Erde verlegt werden, die Regionalbahnen sollen weiter im Kopfbahnhof verkehren. 69 Prozent der rund 1000 Befragten sprachen sich Anfang August für eine ernsthafte Verhandlung des Vorschlages aus.

 

"Konfrontation, Erschöpfung und Friedenssehnsucht sind näher beieinander, als manche wahrhaben wollen", kommentierte Prof. Peter Grottian die Ergebnisse. "Alle wollen den Mühlstein Stuttgart 21 irgendwie mit Anstand vom Halse haben." Er riet Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), "alle Beteiligten für drei Tage in das Kloster Maulbronn einzuladen, den plausiblen Wünschen der Bevölkerung zu folgen und den Wein erst dann auszuschenken, wenn die weiße Rauchfahne eine Kompromisses aufsteigt".

58 Prozent Befürworter im Großraum Stuttgart

Laut Umfrage befürworten - ähnlich wie in früheren Untersuchungen - rund 50 Prozent der Befragten das Projekt, 35 Prozent sind dagegen, 15 Prozent unentschieden. Im Großraum Stuttgart liegt die Zahl der Befürworter mit 58 Prozent sogar noch etwas höher. Große Differenzen zeigen sich dabei unter den Anhängern der verschiedenen Parteien. So finden 73 Prozent der CDU-Anhänger die Verlegung des Bahnhofes richtig, bei den SPD-Sympathisanten liegt der Wert bei 51 Prozent, bei den Grünen bei 25 Prozent.

Der Geißler-Vorschlag findet den Rückhalt von 51 Prozent der Befragten. Selbst unter Anhängern von CDU und FDP hat das Modell eine knappe Mehrheit, jeweils von 44 zu 42 Prozent. Dass darüber verhandelt werden soll, meinen 69 Prozent.

63 Prozent für landesweite Volksabstimmung

Bei der Frage, ob das Projekt beendet werden soll, auch wenn das eine Milliarde Euro kosten könnte, votierten 59 Prozent für den Weiterbau, 31 Prozent waren dagegen. Ähnlich klar fiel die Antwort bei der Frage aus, ob alle Baden-Württemberger oder nur die Menschen im Großraum Stuttgart über die Verlegung des Bahnhofs abstimmen sollen: 63 Prozent forderten eine landesweite Volksabstimmung.

Grottian selbst räumte dem Geißler-Vorschlag gute Chancen ein. Er hole die SPD ins Boot und erlaube der Bahn, ihr Gesicht zu wahren. Und auch die CDU könne davon profitieren. "Die Bundeskanzlerin hat das doppelt listige Geschenk von Geißler noch nicht erkennbar verstanden: In Stuttgart Frieden zu stiften und eine prinzipienfeste Machtoption für Schwarz-Grün möglich zu machen", erläuterte der Professor.