Post Punk hört man am besten im Bunker – wo sonst? Moscow Metro haben beim ersten Stuttgarter Bunkerkonzert am Dienstag die neue Konzertlocation eingeweiht. Etwa hundert Besucher gaben sich der düsteren Atomkriegs-Atmosphäre hin.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Der Feuerbacher Tiefbunker ist ein in Beton gegossenes Zeugnis von Hass, Angst und Krieg. Er sollte Menschen vor Luftangriffen und Atombomben schützen, bot in den Fünfzigern Flüchtlingen und Gastarbeitern Unterschlupf und führt beim Besucher anno 2014 zu Beklemmungen. Das kalte Neonlicht, die trostlose Zweckmäßigkeit der Einrichtung und der Umstand, sich unter einer meterdicken Betondecke zu befinden, drücken aufs Gemüt. Bei den Führungen des Vereins Schutzbauten Stuttgart kann man viel über diesen Bunker direkt am Bahnhof Feuerbach und etliche weitere Bunker und Stollen in der Stadt erfahren.

 

So beklemmend dieser Raum sein mag, er ist dennoch eine perfekte Konzertlocation. Die irische Band Moscow Metro stellt das am Dienstagabend eindrucksvoll unter Beweis. Auf Einladung zweier Wohnzimmerkonzert-Veranstalterinnen ist diese Post-Punk-Band die erste überhaupt, die hier live auftritt. Das passt ganz grundsätzlich, von der Musik her – schließlich entstand Post Punk in Zeiten des Kalten Krieges und atmet damit genau jene Atmosphäre, die auch der Feuerbacher Tiefbunker vermittelt.

Vor allem aber zeigt sich, dass der zweischenklige Konzertraum auf eine Bühne hinführt, die perfekt gemacht ist für Bands, die eine düstere, verwunschene oder auch anrüchige Musik machen. Moscow Metro liegen irgendwo dazwischen, aber Anhängern solcher Musik fallen sofort Dutzende Bands ein, die hier möglichst bald auftreten sollen. Auch aus der Region, man denke nur an Die Nerven, Die Selektion oder Levin goes lightly. Würde hier alles super funktionieren.

Da bleibt man gerne im Bunker

Zwei Wochen hätte man es im Bunker im Falle eines Atomangriffs auf Baden-Württemberg aushalten sollen, so lange hätten die Essens- und Wasservorräte gereicht. Am Dienstagabend reicht es, zwei Stunden im Bunker auszuharren. Man tut das sehr gerne.

Die Eigenschaften des Raumes werden perfekt genutzt. Die Neonröhren sind abgehängt, der Raum ist in tiefblaues Licht getaucht und es fallen klumpengroße Schatten auf Besucher und Band. Das Konzert ist sehr laut, was hervorragend zur Musik von Moscow Metro passt und auch notwendig ist, denn der recht gut gefüllte Raum schluckt viel Schall. Die Menschen machen aus diesem ansonsten 15 Grad kühlen Bunker eine enge, heiße, stickige Konzertlocation. Moscow-Metro-Sänger Barry McNulty legt Jacke und Sonnenbrille schon nach dem ersten Song ab.

Moscow Metro sind zum ersten Mal außerhalb Irlands unterwegs. Bei ihrem Gig in Stuttgart erzählen sie, dass ihre Heimatstadt Limerick ein ziemlich düsterer Ort sei. Der Musik hört man das an. Moscow Metro sind als Mischung aus Joy Division und The National angekündigt; außerdem hört man noch Editors und Glasvegas heraus: ein dunkler, an manchen Stellen aufgekratzter bis krächzender Post-Punk-Sound, der mal orchestral-episch klingt und mal die rohe Kraft des Punk oder zumindest von Garagenbands der Nullerjahre vermittelt, vielleicht ein bisschen wie die frühen Mando Diao.

Bitte mehr davon!

Ab und zu greift einer mal zu fest in die Saiten und Barry McNulty könnte die Rolle der unterkühlten Düster-Epigone noch ein bisschen überzeugender einnehmen. Aber das fällt weniger ins Gewicht als die in dem engen Bunkerraum komprimierte Energie dieser Musik, die sich Schubladen weitgehend entzieht. Ja, Moscow Metro passen super in den Feuerbacher Tiefbunker, und erfreulicherweise ist das hier definitiv nicht bloß für Grufties gemacht.

Als das Publikum immer noch mehr hören will, greift Barry McNulty zur Westerngitarre und spielt ein Cover des Pixies-Songs „Where is my mind“. Der Song von 1988 klingt in dieser Version ein bisschen nach Nirvana: ein Song übers Schnorcheln im Proto-Grunge-Gewand. Das ist Musik über die Sinnsuche in der Südsee – vorgetragen in einem Raum, der eine Schutzhülle für den stets drohenden Zustand totaler Zerstörung sein sollte.

Ja, dieser Abend zeigt Gegensätze auf. Der Bunker, er lebt und sollte künftig noch öfter von Konzerten be-lebt werden. Die Premiere ist ein Szeneevent – eines, das zeigt, dass die Stuttgarter Szene lebt. Deshalb: bitte mehr davon!